Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
Rz. 160
Die Finanzgerichtsordnung sieht für den vorläufigen Rechtsschutz zwei Institute vor. Deren Voraussetzungen und Ausgestaltung sind unterschiedlich:
a) Aussetzung der Vollziehung
Rz. 161
Trotz der Klage kann die Finanzverwaltung den Steuerbescheid vollziehen. Die Klage hat ebenso wie der Einspruch keinen Suspensiveffekt (§ 361 Abs. 1 AO, § 69 Abs. 1 FGO). Die Finanzverwaltung kann aus dem angefochtenen Verwaltungsakt die Zwangsvollstreckung betreiben.
Die FGO gewährleistet den grundrechtlich geforderten effektiven Rechtsschutz gegen vollziehbare Verwaltungsakte einer Finanzbehörde durch die Aussetzung der Vollziehung. Dem Steuerbürger muss die Möglichkeit gegeben sein, "schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre", durch vorläufigen Rechtsschutz zu beseitigen.
Die Aussetzung der Vollziehung hat das Gericht gem. § 69 Abs. 3 FGO anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Aussetzung der Vollziehung richtet sich gegen die Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes.
Ist der betreffende Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vollzogen, so kann das Gericht gem. § 69 Abs. 3 S. 2 FGO (ebenso wie der Finanzverwaltung gem. §§ 361 Abs. 2 S. 3 AO, 69 Abs. 2 S. 7 FGO) auch die Aufhebung der Vollziehung aussprechen. In diesem Fall ist eine bereits gezahlte Steuer vom Finanzamt zu erstatten.
Wichtig ist jedoch, dass die Aufhebung der Vollziehung, ebenso wie die Aussetzung, auf die festgesetzte Steuer, vermindert um anzurechnende Steuerabzugsbeträge und festgesetzte Vorauszahlungen, beschränkt ist (§ 69 Abs. 3 S. 8 FGO, zur Kritik vgl. Rdn 5, 11). Hieraus folgt, dass z.B. eine Erstattung von unterjährig einbehaltener Lohnsteuer oder von festgesetzten Vorauszahlungen nicht durch einen Antrag auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung erreicht werden kann.
b) Einstweilige Anordnung
Rz. 162
Schwerer zu erfüllen sind die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung. Diese ist möglich zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (§ 114 Abs. 1 S. 2 FGO). Mit einer einstweiligen Anordnung kann man auch die Sicherung eines bestehenden Zustandes erreichen, wenn die Gefahr besteht, dass durch dessen Veränderung die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, bzw. wenn der Betroffene belegen kann, dass ohne die Anordnung seine Rechtsposition wesentlich beeinträchtigt würde (§ 114 Abs. 1 S. 1 FGO).
Die einstweilige Anordnung ist subsidiär gegenüber der Aussetzung der Vollziehung (§ 114 Abs. 5 FGO). Die Abgrenzung, ob Aussetzung der Vollziehung oder einstweilige Anordnung einschlägig ist, richtet sich in erster Linie nach dem Hauptsacheverfahren. Bei Anfechtungsklagen, deren Gegenstand ein vollziehbarer Verwaltungsakt ist, ist die Aussetzung zu beantragen, wenn der vorläufige Rechtsschutz nur die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung erreichen soll. Bei anderen Hauptsacheverfahren ist die einstweilige Anordnung das richtige Institut.
Einstweilige Anordnungen spielen in der Praxis der Finanzgerichte (daher) keine große Rolle.