Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
Rz. 163
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung muss zulässig und begründet sein. Es müssen die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen, die Zugangsvoraussetzungen erfüllt sein und Aussetzungsgründe bestehen.
a) Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
Rz. 164
Vorläufiger Rechtsschutz muss mit der Aussetzung der Vollziehung erreichbar sein (besonderes Rechtsschutzbedürfnis). Die Hauptsache muss regelmäßig eine Anfechtungsklage sein. Die Aussetzung der Vollziehung setzt vollziehbare Verwaltungsakte voraus. Dies sind in erster Linie die Verwaltungsakte, die eine Geldleistung (Steuern, Rückforderung einer Steuervergütung, Zinsen, Kosten) fordern.
b) Einlegung eines Rechtsbehelfs
Rz. 165
Der Steuerpflichtige muss den Verwaltungsakt angefochten haben, d.h. gegen ihn Einspruch (§ 347 AO) eingelegt oder die Klage (regelmäßig Anfechtungsklage) erhoben haben. Das Gericht kann zwar vor Klageerhebung aussetzen (§ 69 Abs. 3 S. 2 FGO), nicht aber, bevor der außergerichtliche Rechtsbehelf eingelegt ist.
c) Erfolgloser Aussetzungsantrag bei der Finanzbehörde
Rz. 166
Der Antrag beim Finanzgericht ist nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Aussetzungsantrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat, § 69 Abs. 4 S. 1 FGO. Diese besondere Zugangsvoraussetzung muss nach h.M. im Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt sein. Nach h.M. genügt es, dass die Finanzbehörde die Aussetzung der Vollziehung einmal abgelehnt hat; es ist also nicht nötig, von der Finanzbehörde z.B. zunächst die Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides, dann nochmals die des Steuerbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu verlangen. Ein einmaliges "Njet" genügt. § 69 Abs. 4 S. 1 FGO setzt nicht voraus, dass der Einspruch oder der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begründet wurde.
d) Aussetzungsgründe: Ernstliche Zweifel, unbillige Härte
aa) Zweifel
Rz. 167
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen, wenn bei der überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Trotz des Wortlauts des § 69 Abs. 3 S. 1 FGO ("kann … aussetzen") gebietet die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Aussetzung beim Vorliegen dieser Voraussetzung.
bb) Härte
Rz. 168
Das Finanzgericht muss auch dann aussetzen, wenn die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auszusetzen ist also dann, wenn die wirtschaftlichen Nachteile nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Steuerpflichtigen führen würde.
e) Aussetzungsumfang
Rz. 169
Soweit der Verwaltungsakt bereits vollzogen ist, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Die freiwillig gezahlten oder zwangsweise beigetriebenen Steuern werden vorläufig erstattet. Gem. § 69 Abs. 2 S. 8 FGO gilt, dass eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, ggf. um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Voraus...