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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten.[6] Dies ist u.a. der Fall, wenn gewichtige Gründe dafür sprechen, dass von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen wurde, oder wenn Fehler bei der Rechtsanwendung nicht auszuschließen sind. Dabei ist bei einer nicht eindeutigen Rechtslage im Regelfall die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.[7] Die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe müssen nicht überwiegen.[8] Eine unbillige Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des Verwaltungsaktes Nachteile entstehen, die über den allgemeinen wirtschaftlichen Nachteil, der mit einer Steuerzahlung stets verbunden ist, hinausgehen (z.B. Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz).[9] Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung des Folgebescheides auszusetzen, § 361 Abs. 3 S. 1 AO. Mit der Aussetzung der Vollziehung kann man – wie § 361 Abs. 2 S. 3 AO ausdrücklich klarstellt – auch die Aufhebung der Vollziehung bei zwischenzeitlicher Vollstreckung oder freiwilliger Zahlung der festgesetzten Steuerschuld erreichen, nicht jedoch die Erstattung gezahlter und wirksam festgesetzter Vorauszahlungen.

Denn nach § 361 Abs. 2 S. 4 AO gilt, dass die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt ist, soweit nicht die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.[10] Nach dieser Härteklausel dürfte die Finanzverwaltung nur dann eine vorläufige Erstattung verfügen, wenn dem Steuerpflichtigen ansonsten nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile entstehen, wie insbesondere die drohende Existenzvernichtung.[11]

[6] AEAO zu § 361 Tz. 2.5.
[8] BFH v. 10.3.2001, BFH/NV 2001, 957; AEAO zu § 361 Tz. 2.5 S. 2.
[9] AEAO zu § 361 Tz. 2.6; vgl. näher zu den Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung Rätke, in: Klein, § 361 AO Rn 6 ff.; Tipke/Kruse, § 361 AO Rn 1 ff., § 69 FGO Rn 44 ff.
[10] Vgl. die deutliche und zutreffende Kritik am Gesetzgeber bei Woerner, BB 1996, 2649. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den § 69 Abs. 2 S. 8 FGO, der dem § 361 Abs. 2 S. 4 AO entspricht, siehe Leonard, DB 1999, 2280. Der BFH sieht allerdings in diesen Regelungen keinen Verstoß gegen das GG; BFH v. 2.11.1999, BStBl II 2000, 57.
[11] Vgl. im Einzelnen AEAO zu § 361 Tz. 4.6.1.

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