Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
aa) Aufrechnung
Rz. 57
Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten die Vorschriften der §§ 387 ff. BGB sinngemäß, § 226 Abs. 1 AO. Dabei schließt § 226 Abs. 2 AO die Aufrechnung mit verjährten Forderungen aus. Denn anders als im BGB (siehe dort zur Aufrechnung bei Verjährung, § 215 BGB) führt die Verjährung im Steuerrecht nach §§ 169 ff. oder §§ 228 ff. AO dazu, dass der Steueranspruch erlischt und nicht lediglich einredebehaftet (§ 214 Abs. 1 BGB) wird. Nach § 226 Abs. 3 AO können die Steuerpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis jedoch nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen. Die Aufrechnung führt zum Erlöschen der Steuerschuld i.S.v. § 47 AO.
(1) Fälligkeit des Anspruchs
Rz. 58
Daher würde es sich anbieten, dass Sch (aus dem Fall Rdn 56) seinen Einkommensteuererstattungsanspruch gegen die Umsatzsteuernachzahlung aufrechnet. Dabei ergibt sich jedoch das Problem, dass der Anspruch, mit dem er aufrechnet, fällig sein muss. Das Einkommensteuerguthaben wird jedoch erst aufgrund der Einkommensteuerfestsetzung fällig, da es sich bei der Einkommensteuer um eine Veranlagungssteuer handelt, § 220 Abs. 1 AO, § 36 Abs. 4 S. 2 EStG. Anders sieht es dagegen bei der Umsatzsteuerjahresanmeldung aus. Diese führt zu einer Selbstveranlagung des Steuerpflichtigen. Das heißt, die eingereichte Steueranmeldung steht mit sofortiger Wirkung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, soweit sie zu einer Steuernachzahlung führt, § 168 AO. Der Nachzahlungsbetrag ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Umsatzsteuerjahresanmeldung fällig, § 18 Abs. 4 S. 1 UStG.
(2) Verknüpfung mit Stundung
Rz. 59
Um in solchen Konstellationen einen Aufschub der Umsatzsteuernachzahlung bis zum Entstehen der Aufrechnungslage zu erreichen, empfiehlt es sich, einen Antrag auf Stundung der bereits fälligen Umsatzsteuernachzahlung bis zur Fälligkeit des Anspruchs auf Einkommensteuererstattung zu stellen. Einer solchen Verrechnungsstundung werden die Finanzbehörden nach § 222 AO regelmäßig stattgeben. Ebenso verzichten sie in solchen Fällen regelmäßig auf Stundungszinsen gem. § 234 AO i.H.v. 0,5 % für jeden vollen Monat, § 234 Abs. 2 AO.
bb) Stundung
Rz. 60
Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten eines Steuerpflichtigen ist (z.B. für den über die Aufrechnung hinausgehenden Betrag der Umsatzsteuernachzahlung, siehe Rdn 56) ein Antrag auf Stundung mit Ratenzahlung zu stellen.
(1) Voraussetzungen
Rz. 61
Gem. § 222 S. 1 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Dabei soll die Finanzbehörde die Stundung i.d.R. nur auf Antrag und nur gegen Sicherheitsleistung gewähren. Zu beachten ist, dass die Finanzämter nur eingeschränkt in eigener Zuständigkeit entscheiden können (Beträge bis 100.000 EUR zeitlich unbegrenzt; höhere Beträge bis sechs Monate). Ansonsten bedarf es der Zustimmung der Oberfinanzdirektion (Beträge bis 250.000 EUR; höhere Beträge bis zwölf Monate) bzw. des Landesfinanzministeriums.
(2) Sachliche Stundungsansprüche
Rz. 62
Unproblematisch ist regelmäßig eine Stundung aus sachlichen Gründen wie die vorliegende Verrechnungsstundung im obigen Beispiel im Hinblick auf den Einkommensteuererstattungsanspruch. Denn für den Steuerpflichtigen stellt die Einziehung einer Steuer eine erhebliche sachliche Härte dar, wenn er mit einer Steuererstattung in Kürze rechnen kann, ohne dass bereits die Möglichkeit einer Aufrechnung besteht.
(3) Persönliche Stundungsansprüche
Rz. 63
Im Hinblick auf die Geltendmachung persönlicher Stundungsgründe differenziert die Praxis der Finanzämter erheblich. Dies beruht letztlich darauf, dass die Entscheidung über die Stundung eine mit einem unbestimmten Rechtsbegriff ("erhebliche Härte") gekoppelte Ermessensentscheidung darstellt. Eine erhebliche Härte liegt vor, wenn die Steuerzahlung bei dem Steuerpflichtigen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen würde. Dazu reicht einerseits nicht jedes kurzfristige Liquiditätsproblem. Eine bevorstehende Insolvenz andererseits bedeutet zwar eine erhebliche Härte i.S.d. § 222 S. 1 AO, jedoch darf die Stundung den Steueranspruch nicht gefährden. Wenn die Insolvenz kurz bevorsteht, soll daher...