Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
Rz. 60
Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten eines Steuerpflichtigen ist (z.B. für den über die Aufrechnung hinausgehenden Betrag der Umsatzsteuernachzahlung, siehe Rdn 56) ein Antrag auf Stundung mit Ratenzahlung zu stellen.
(1) Voraussetzungen
Rz. 61
Gem. § 222 S. 1 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Dabei soll die Finanzbehörde die Stundung i.d.R. nur auf Antrag und nur gegen Sicherheitsleistung gewähren. Zu beachten ist, dass die Finanzämter nur eingeschränkt in eigener Zuständigkeit entscheiden können (Beträge bis 100.000 EUR zeitlich unbegrenzt; höhere Beträge bis sechs Monate). Ansonsten bedarf es der Zustimmung der Oberfinanzdirektion (Beträge bis 250.000 EUR; höhere Beträge bis zwölf Monate) bzw. des Landesfinanzministeriums.
(2) Sachliche Stundungsansprüche
Rz. 62
Unproblematisch ist regelmäßig eine Stundung aus sachlichen Gründen wie die vorliegende Verrechnungsstundung im obigen Beispiel im Hinblick auf den Einkommensteuererstattungsanspruch. Denn für den Steuerpflichtigen stellt die Einziehung einer Steuer eine erhebliche sachliche Härte dar, wenn er mit einer Steuererstattung in Kürze rechnen kann, ohne dass bereits die Möglichkeit einer Aufrechnung besteht.
(3) Persönliche Stundungsansprüche
Rz. 63
Im Hinblick auf die Geltendmachung persönlicher Stundungsgründe differenziert die Praxis der Finanzämter erheblich. Dies beruht letztlich darauf, dass die Entscheidung über die Stundung eine mit einem unbestimmten Rechtsbegriff ("erhebliche Härte") gekoppelte Ermessensentscheidung darstellt. Eine erhebliche Härte liegt vor, wenn die Steuerzahlung bei dem Steuerpflichtigen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen würde. Dazu reicht einerseits nicht jedes kurzfristige Liquiditätsproblem. Eine bevorstehende Insolvenz andererseits bedeutet zwar eine erhebliche Härte i.S.d. § 222 S. 1 AO, jedoch darf die Stundung den Steueranspruch nicht gefährden. Wenn die Insolvenz kurz bevorsteht, soll daher die Finanzbehörde nicht stunden können. Der Antrag auf Stundung ist letztlich eine Gratwanderung. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten müssen als ernst, aber nicht existenzgefährdend anzusehen sein. Eine besonders drastische Darstellung im Antragsschreiben kann daher die Stundung gefährden.
(4) Verknüpfung mit Vollstreckungsaufschub
Rz. 64
Zusätzlich sollte der Berater einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub gem. § 258 AO stellen. Die Finanzbehörde kann, soweit die Vollstreckung im Einzelfall unbillig ist, die Vollstreckung einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.
(5) Stundungszinsen, Säumniszuschläge
Rz. 65
Während des Vollstreckungsaufschubs fallen Säumniszuschläge gem. § 240 AO i.H.v. monatlich 1 % des rückständigen Steuerbetrages an, während die Stundungszinsen nur 0,5 % pro Monat ausmachen, §§ 234, 238 AO. Dabei kann auf die Zinsen ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles (z.B. zinslose Verrechnungsstundung) unbillig wäre, § 234 Abs. 2 AO. Das Finanzamt soll im Fall von Säumniszuschlägen auch bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners nur verpflichtet sein, die Hälfte der Säumniszuschläge zu erlassen. Es soll also nur ein Erlass bis zur Höhe der Stundungszinsen erfolgen. Dies ist unverständlich, da die Säumniszuschläge gerade ein Druckmittel zur Zahlung der Steuerschulden sind und auch bei Stundungszinsen die Möglichkeit eines vollständigen Erlasses nach § 234 Abs. 2 AO besteht.