Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 33
A ist als Ingenieur tätig, hat aber kein entsprechendes Studium abgeschlossen. Das Finanzamt behandelt die Einkünfte des A als gewerblich und erlässt einen Gewerbesteuermessbescheid für 2019 mit einem Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. 1.000 EUR gem. § 184 AO. Es gibt den Messbescheid am 20.5.2020 bekannt. Mit Gewerbesteuerbescheid vom selben Tag fordert die Stadt Bonn Gewerbesteuer für 2019 i.H.v. 4.900 EUR (Hebesatz 490 %).
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 34
Der Grundlagenbescheid ist ein Feststellungsbescheid, Steuermessbescheid oder anderer Verwaltungsakt, der für die Festsetzung einer Steuer bindend ist (§ 171 Abs. 10 AO).
a) Beispiele
Rz. 35
Die wichtigsten Grundlagenbescheide sind die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 179 ff. AO sowie der Grundsteuer- und der Gewerbesteuermessbescheid nach § 184 AO.
b) Wirkung
Rz. 36
Der Grundlagenbescheid ist ein selbstständiger Verwaltungsakt, der gesondert bekannt gegeben wird und auch gesondert anzufechten ist. Der Folgebescheid baut zwingend auf dem Grundlagenbescheid auf. Demzufolge kann man gegen den Folgebescheid nicht mit der Begründung Einspruch einlegen, der Grundlagenbescheid sei rechtswidrig, § 351 Abs. 2 AO. Soweit der Grundlagenbescheid geändert wird, ist auch der Folgebescheid zu ändern, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO. Um zu verhindern, dass die Festsetzungsverjährung für den Folgebescheid abläuft, bevor der Grundlagenbescheid ausgewertet ist, sieht § 171 Abs. 10 AO eine besondere Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung für den Folgebescheid vor: Die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid endet nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides.
c) Einspruch
Rz. 37
Beim Einspruch gegen den Grundlagenbescheid ist zu beachten, dass die Rechtsbehelfsbefugnis bei einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheiden (für Mitunternehmerschaften) gem. § 352 AO eingeschränkt ist. Einspruch können regelmäßig nur die geschäftsführenden Gesellschafter für die Gesellschaft einlegen. Ausnahmen gelten für ausgeschiedene Gesellschafter und für aufgelöste Gesellschaften und soweit es sich um die Frage handelt, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie sich dieser auf die einzelnen Beteiligten verteilt. Erkennt also z.B. die Finanzverwaltung bei einer KG Betriebsausgaben nicht an, ist ein Rechtsbehelf gegen den einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid, der den Gewinn der KG feststellt und auf die Gesellschafter verteilt, nur durch den Komplementär im Namen der Gesellschaft einzulegen. Anders für den Fall, dass z.B. das Finanzamt die Gewinnverteilungsabrede einer KG nicht anerkennt und den Gewinn anders als erklärt aufteilt: In diesem Fall kann auch jeder betroffene Kommanditist Einspruch einlegen, § 352 Abs. 1 Nr. 4 AO.
d) Aussetzung der Vollziehung
Rz. 38
Entsprechend der Regelung des Einspruchsverfahrens ist auch im Rahmen des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung zu verfahren. Auch hier ist der Grundlagenbescheid auszusetzen, obwohl dieser lediglich feststellenden Charakter hat. Die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides bewirkt zwingend die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides nach § 361 Abs. 3 S. 1 AO.
3. Muster: Einspruch mit Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheides
Rz. 39
Muster 39.3: Einspruch mit Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheides
Muster 39.3: Einspruch mit Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheides
An das Finanzamt Bonn-Innenstadt
Identifikationsnr.: 12/345/678/912; A. Müller, Maxstraße 27, 53111 Bonn
Namens und in Vollmacht unseres Mandanten legen wir gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2019 vom 20.5.2020
Einspruch
ein und beantragen, den Gewerbesteuermessbescheid ersatzlos aufzuheben.
Des Weiteren beantragen wir die
Aussetzung der Vollziehung
ohne Sicherheitsleistung.
Begründung:
Eine Gewerbesteuerpflicht unseres Mandanten besteht nicht. Er betreibt kein gewerbliches Unternehmen im Sinne der § 2 GewStG, § 15 EStG. Er übt vielmehr einen freien Beruf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, da er Leistungen zu erbringen in der Lage ist und auch erbringt, die denen eines Ingenieurs entsprechen. Wir verweisen dazu auf die beiliegende Aufstellung über den Tätigkeitsbereich unseres Mandanten. Es kommt nicht darauf an, dass der Steuerpflichtige sich das notwendige Fachwissen ohne vorausgehendes Fachstudium angeeignet hat (ausführliche Nachweise zur Rechtsprechung finden sich im BFH-Urt. v. 14.6.2007, BFH/NV 2007, 2091). Nach der Rechtsprechung (BFH v. 9.3.2012, BFH/NV 2012, 1119; BFH v. 11.7.1991, BStBl II 1991, 879), kann ein Sachverständiger mit der Begutachtung der Tätigkeit eines Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Ausübung eines freien Berufs beauftragt werden, der prüft, ob die Tätigkeit so anspruchsvoll ist, dass sie der Tiefe und der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums voraussetzt. Die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens ist nicht auf das finanzgerichtliche Verfahren beschränkt. Vielmehr ist bereits die Finanzbehörde dazu nach § 9...