Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 186
Im Beispielfall (siehe Rdn 110) besinnt sich das Finanzamt während des Prozesses eines Besseren. Es erlässt einen neuen Einkommensteuerbescheid, in dem es den Eheleuten Meyer in vollem Umfange Recht gibt.
a) Alternative (1)
Rz. 187
Das Finanzamt bleibt zwar starr in der Frage der Werbungskosten. Es erlässt aber einen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018. Zu Gunsten der Eheleute Meyer akzeptiert es nachträglich außerhalb des Prozesses Renovierungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die Einkommensteuer ermäßigt sich durch die Werbungskosten um 2.000 EUR.
b) Alternative (2)
Rz. 188
Nachdem der Prozessbevollmächtigte und das Finanzamt einige Schriftsätze gewechselt haben, aber lange vor der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht, zeichnet sich ab, dass das Finanzgericht in eine Beweisaufnahme eintreten möchte über die Frage, ob Herr M einen privat veranlassten Umweg gefahren ist. Die Eheleute Meyer sind den Rechtsstreit leid, zumal das Finanzamt ja die Renovierungskosten anerkannt hat und ihre Einkommensteuer für 2018 ohnehin nur noch sehr gering ist. Daher möchten sie Kosten vermeiden und es nicht auf die Entscheidung des Gerichtes ankommen lassen.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 189
Die Finanzgerichtsordnung kennt ähnlich der Zivilprozessordnung die Institute der Erledigung der Hauptsache und der Rücknahme der Klage. Daneben besteht die Spezialität des § 68 FGO, der prozessualen Folgen bei einer Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes.
a) Erledigung der Hauptsache
Rz. 190
Gem. § 138 Abs. 2 FGO ist die Hauptsache insbesondere dann erledigt, wenn das Finanzamt dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgibt. Erledigung tritt ein, wenn das Rechtsbehelfsbegehren des Klägers während des gerichtlichen Verfahrens durch ein außerprozessuales Ereignis ganz oder teilweise unzulässig oder unbegründet wird. Zwar könnte der Kläger in diesen Fällen seine Klage zurücknehmen. Doch dann müsste er gem. § 136 Abs. 2 FGO die Kosten tragen. Daher gibt § 138 FGO den Parteien die Möglichkeit, den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt zu erklären.
aa) Kostenentscheidung bei übereinstimmender Erledigungserklärung
Rz. 191
Wie im Zivilprozess entscheidet das Gericht bei übereinstimmender Erledigungserklärung nicht mehr über das Klagebegehren. Es entscheidet vielmehr nur noch gem. § 138 Abs. 1 FGO durch Beschluss über die Kosten. Bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen prüft das Gericht nicht, ob die Hauptsache tatsächlich erledigt ist oder ob die Klage zulässig gewesen ist. Es trifft nur die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen, d.h. in der Praxis nach dem wahrscheinlichen Ausgang des Verfahrens.
bb) Einseitige Erledigungserklärung des Klägers
Rz. 192
Soweit die beklagte Behörde mit der Erledigungserklärung des Klägers nicht übereinstimmt, ist die einseitige Erledigungserklärung im Falle eines erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit als Klageänderung auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache anzusehen. In diesem Fall prüft das Gericht, ob die Hauptsache tatsächlich erledigt ist. Ist die Hauptsache nicht erledigt, weist das Gericht die Klage ab und legt dem Kläger gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten auf. Diese missliche Folge kann der Kläger vermeiden, wenn er den ursprünglichen Klageantrag als Hilfsantrag weiterverfolgt. Gelangt das Gericht zur Ansicht, dass die Hauptsache tatsächlich erledigt ist, stellt es die Erledigung in einem Urteil fest.
cc) Erledigungserklärung des Beklagten
Rz. 193
Die einseitige Erledigungserklärung des Beklagten sieht die Rechtsprechung als eine Anregung an das Gericht, zu prüfen, ob die Hauptsache erledigt und die Klage als unzulässig abzuweisen sei. Ist die Hauptsache in dem Fall erledigt, weist das Gericht die Klage als unzulässig ab und legt gem. § 135 Abs. 1 FGO dem Kläger die Kosten auf.
b) Klagerücknahme
Rz. 194
Vgl. zu Klagerücknahme und Gestaltungsempfehlung auch Brandt, AO-StB 2003, 61.
Rz. 195
Der Kläger kann seine Klage gem. § 72 FGO bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Er kann sie also noch zurücknehmen, nachdem er Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision eingelegt hat. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung und nach einem Vorbescheid ist die Rücknahme nur mit Einwilligung des Beklagten mögli...