Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 41
Der Mandant erscheint im Februar 2021 bei seinem Berater, um die Einkommensteuererklärung 2019 fertigen zu lassen. Der Berater stellt umgehend einen Fristverlängerungsantrag beim Finanzamt. Anschließend begibt sich der Mandant auf eine mehrwöchige Weltreise. Zwischenzeitlich hat die Finanzbehörde, ohne den gestellten Fristverlängerungsantrag zu berücksichtigen, die Einkommensteuer mit Bescheid vom 25.3.2021 geschätzt und einen Verspätungszuschlag i.H.v. 300 EUR festgesetzt. Der Mandant kehrt Ende April von seiner Weltreise zurück. Er findet den Steuerbescheid in seiner Post vor und geht unmittelbar danach zu seinem steuerlichen Berater. Ausweislich der mittlerweile vorbereiteten Steuererklärung hat der Steuerpflichtige keine Einkommensteuer zu zahlen.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Steuererklärung
aa) Fristen
Rz. 42
Die Frist zur Abgabe von Jahressteuererklärungen (insbesondere Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer) bei den Finanzämtern endet für Steuerpflichtige nach § 149 Abs. 2 S. 1 AO mit Ablauf des 31.7. des Folgejahres, es sei denn, sie lassen die Jahressteuererklärungen durch Steuerberater (oder andere Personen i.S.d. §§ 3, 4 StBerG) erstellen. Dann läuft die Frist zur Abgabe nach § 149 Abs. 3 AO sieben Monate länger, nämlich bis zum 28.2 bzw. in Schaltjahren bis zum 29.2 des übernächsten Jahres. Die Finanzämter können gem. § 109 Abs. 1 AO die Abgabefristen (auch rückwirkend) verlängern. Für die ohnehin schon längere Frist für steuerlich beratene Mandanten gilt das nach § 109 Abs. 2 AO aber nur ausnahmsweise, dann nämlich, wenn der Mandant ohne Verschulden verhindert ist oder war, die Steuererklärungsfrist einzuhalten. Das Verschulden seines Beraters ist ihm zuzurechnen. Die Entscheidung, ob die Frist verlängert wird oder nicht, steht im Ermessen des Finanzamts und kann deshalb vom Gericht nur im Hinblick auf Ermessensfehler überprüft werden.
bb) Verspätungszuschlag
Rz. 43
Wird eine Steuerklärung nicht oder nicht fristgemäß abgegeben, kann das Finanzamt nach § 152 Abs. 1 S. 1 AO einen Verspätungszuschlag festsetzen. In den Fällen des § 152 Abs. 2 AO muss es das sogar, namentlich beim Überschreiten des 14-Monatszeitraums (Nr. 1) bzw. des für LuF geltenden 19-Monatszeitraums (Nr. 2) oder wenn das Finanzamt gem. § 149 Abs. 4 AO eine sog. Vorabanforderung angeordnet hat und der Erklärungspflichtige die ihm gesetzte Frist verstreichen lässt (Nr. 3). Dies gilt für jeden Steuerpflichtigen, unabhängig davon, ob er beraten ist oder nicht.
Die Höhe des Verspätungszuschlags bemisst sich nach § 152 Abs. 5 AO. Sie bemisst sich nicht mehr nach Kriterien wie Verschulden oder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern beträgt nach S. 2 für sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlichen Zeitpunkt beziehende Steuererklärungen – wie das bei der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer der Fall ist – für jeden angefangenen Monat 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens aber 25 EUR. Für die anderen Steuerarten finden sich Regelungen in § 152 Abs. 5 S. 1, Abs. 6–10, Abs. 13 S. 2 AO. Da es sich bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nicht um einen Steuerbescheid handelt, ist eine aus Billigkeitsgründen erfolgende, abweichende Festsetzung i.S.d. § 163 AO ausgeschlossen. Möglich ist aber ein (Teil-)Erlass aus Billigkeitsgründen gem. § 227 AO.
cc) Zinsen
Rz. 44
Soweit der Berater für den Mandanten Fristverlängerungsanträge stellt, wird er darauf hinweisen müssen, dass nach § 233a AO für Steuernachforderungen, aber auch Steuererstattungen, Zinsen entstehen. Der Zinslauf beginnt erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, § 233a Abs. 2 S. 1 AO. Der Zinssatz beträgt 0,5 v.H. pro Monat (zur Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes vgl. Rdn 7). Die Zinsen sind nach der wenig überzeugenden Rechtsprechung auch zu zahlen, soweit eine verzögerte Bearbeitung der Finanzbehörde die Überschreitung der Karenzzeit von 15 ...