1. Typischer Sachverhalt

 

Rz. 80

Bei dem Mandanten im oben stehenden Fall (siehe Rdn 33) hat eine Außenprüfung stattgefunden, bei der das Finanzamt dessen Tätigkeit nicht als gewerbliche, sondern als freiberufliche Ingenieurtätigkeit qualifizierte. Der Mandant möchte auch für die Zukunft Klarheit haben.[99]

[99] Nach der st. Rspr. des BFH ist die Finanzverwaltung an eine rechtswidrige Beurteilung in einer früheren Betriebsprüfung nicht gebunden (BFH v. 6.2.2003, BFH/NV 2003, 621; BFH v. 12.7.2006, BFH/NV 2006, 2028, jeweils m.w.N.). Etwas anderes soll aber in Fällen einer vorherigen rechtlich möglichen Beurteilung gelten. In diesen Fällen kann sich die Finanzverwaltung nicht auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung berufen (vgl. BFH v. 12.4.2000, BFH/NV 2000, 1196).

2. Rechtliche Grundlagen

a) Zusage nach Außenprüfung

 

Rz. 81

Gem. § 204 AO soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen im Anschluss an eine Außenprüfung auf Antrag verbindlich zusagen, wie sie einen für die Vergangenheit geprüften und im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandeln wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist. Damit bindet sich die Finanzverwaltung rechtlich verpflichtend, den konkreten Sachverhalt in Zukunft in bestimmter Weise steuerlich zu behandeln. Die Finanzverwaltung muss die Zusage schriftlich erteilen und als verbindlich kennzeichnen, § 205 AO.

b) Weitere gesetzlich geregelte Fälle

 

Rz. 82

Neben der verbindlichen Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung gibt es weitere gesetzlich geregelte Fälle einer Zusage im Steuerrecht. Dies sind die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO, die verbindliche Zolltarifauskunft, Art. 33 Zollkodex der Union und die Lohnsteueranrufungsauskunft gem. § 42e EStG.

c) Verbindliche Auskunft

 

Rz. 83

Nach § 89 Abs. 2 AO kann ein Antrag auf verbindliche Auskunft für erst in Zukunft zu verwirklichende und genau bestimmte Sachverhalte gestellt werden, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.[100] Zuständig ist gem. § 89 Abs. 2 S. 2 AO das Finanzamt, das bei Verwirklichung des Sachverhalts für die Besteuerung zuständig wäre. Ist ein solches nicht auszumachen, ist der Antrag nach § 89 Abs. 2 S. 3 AO beim Bundeszentralamt für Steuern zu stellen. Die zuständige Finanzbehörde soll gem. § 89 Abs. 2 S. 4 AO[101] über den Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Zugang entscheiden; sollte sie nicht entscheiden können, muss sie dies dem Antragssteller mitteilen und begründen. Das in § 89 Abs. 2 S. 1 AO geforderte besondere Interesse des Antragstellers hat nach Ansicht der Verwaltung grds. nur der Steuerpflichtige.[102] Besteht dieser im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht, kann auch ein Dritter berechtigter Antragsteller sein. In Fällen der einheitlichen und gesonderten Feststellung, also für Personengesellschaften, müssen nach § 1 Abs. 2 S. 1 StAuskV (Steuerauskunftsverordnung) alle Beteiligten die Auskunft gemeinsam beantragen, wobei ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt werden soll.

[100] Siehe § 89 Abs. 2 S. 1 AO und AEAO zu § 89 Tz. 3.1.
[101] Neu eingefügt durch Gesetz v. 18.7.2016 mit Wirkung ab dem 23.7.2016.
[102] AEAO zu § 89 Tz. 3.2.2.

aa) Inhalt des Auskunftsantrages

 

Rz. 84

Ein Antrag soll nach § 1 Abs. 1 StAuskV enthalten:

die genaue Bezeichnung des Antragstellers (Name, Wohnsitz bzw. Sitz, ggf. Steuernummer),
die umfassende und in sich geschlossene Darstellung eines ernsthaft geplanten Sachverhalts (keine unvollständige, alternativ gestaltete oder auf Annahmen beruhende Darstellung, Verweisung auf Anlagen nur als Beleg),
die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses an der Auskunft,
die ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes,
die Formulierung konkreter Rechtsfragen (globale Fragen nach Rechtsfolgen reichen nicht),
die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft beantragt wurde sowie
die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen.

Eine verbindliche Auskunft kann nur zur Beantwortung konkreter Rechtsfragen eingeholt werden.[103] Bei einer engen Auslegung des Begriffs der "Rechtsfrage" wären daher alle Fragen der verbindlichen Auskunft entzogen, bei denen es nicht um abstrakte Rechtsfragen, sondern (auch) um die Auslegung des konkreten Sachverhaltes geht.

So ist im Vorfeld einer Umstrukturierung regelmäßig fraglich, ob ein abzuspaltender Betriebsteil tatsächlich alle Voraussetzungen eines Teilbetriebs erfüllt oder bestimmte Wirtschaftsgüter als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen sind. Hierbei handelt es sich regelmäßig nicht um reine Rechtsfragen. Die Praxis zeigt jedoch, dass bei einer entsprechenden Ausgestaltung der Anträge die Finanzverwaltung regelmäßig verbindliche Auskünfte erteilt, die die gewünschte Bindungswirkung entfalten, und es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, die Umstrukturierung mit der notwe...

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