Rz. 16
Über das Annahmeverzugslohnrisiko hinaus ist der Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzrechtsstreits Gefahren weiterer Beeinträchtigungen ausgesetzt. Hierbei ist vor allem an den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, sei es der allgemeine oder der aus § 102 Abs. 5 BetrVG hergeleitete, zu denken. Je nach konkreter Situation und Größe des Betriebes sowie den vorgefallenen Umständen kann eine Rückkehr des Arbeitnehmers in den Betrieb einen erheblichen Imageschaden für den Arbeitgeber bedeuten. Gerade im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen ist nicht zu unterschätzen, welchen Ansehensverlust es für den Arbeitgeber darstellen kann, wenn der Arbeitnehmer, dessen Ausscheiden bereits als unabänderliche Tatsache dargestellt wurde, wieder im Betrieb erscheint, als wäre nichts gewesen. Es liegt nahe, dass dadurch bei zahlreichen Arbeitnehmern der Eindruck erweckt werden kann, Pflichtverletzungen seien nicht mit negativen arbeitsrechtlichen Konsequenzen verbunden. Durch Ausspruch von – insbesondere fristlosen – Folgekündigungen, sofern diese nicht offensichtlich unwirksam sind, kann dem Risiko der Vollstreckung eines erstinstanzlich titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs allerdings oft erfolgreich begegnet werden.
Rz. 17
Weitere Nachteile für den Arbeitgeber können sich im Rahmen einer Beschäftigung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist, einer sich daran anschließenden befristeten Weiterbeschäftigung zur Abwendung von Annahmeverzugslohnrisiken (siehe Rdn 52 ff.) oder der bereits erörterten durch den Arbeitnehmer erzwungenen Weiterbeschäftigung ergeben. So kann es bei der Ausführung von Arbeiten durch den gekündigten Arbeitnehmer zu Schäden kommen, deren Ersatz aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist (unzuverlässiger Kraftfahrer verursacht einen hohen Unfallschaden; durch ungeschicktes Auftreten eines Vertriebsmitarbeiters gehen Kundenbeziehungen verloren). Außerdem ist zu berücksichtigen, welchen Wert die Leistung des Arbeitnehmers an sich für den Arbeitgeber noch darstellt. Maßnahmen zur Reduzierung des Annahmeverzugslohnrisikos wie die befristete Weiterbeschäftigung oder die "Rücknahme" der Kündigung können dem Arbeitgeber dann nicht ernsthaft empfohlen werden, wenn die Arbeitskraft des – rückkehrwilligen und leistungsbereiten – Arbeitnehmers für ihn keinen Nutzen mehr hat. Dies kann darin begründet liegen, dass aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse ein Arbeitsplatz in Wegfall geraten ist. Es kann auch sein, dass der Arbeitgeber von dem betreffenden Arbeitnehmer nur noch Minder- und Schlechtleistungen erwartet. Ein bei seinen Kollegen unbeliebter Arbeitnehmer kann Zwistigkeiten erzeugen, die das Betriebsklima und damit die Produktivität des Betriebs beeinträchtigen. Schließlich können im Rahmen einer befristeten Weiterbeschäftigung entgeltfortzahlungspflichtige krankheitsbedingte Ausfälle des Arbeitnehmers zu befürchten sein. Zwar ist gem. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG die Inanspruchnahme des Arbeitgebers auf einen Zeitraum von sechs Wochen beschränkt. Handelt es sich allerdings um unterschiedliche Krankheitsursachen, gilt diese Beschränkung nicht (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG).