Rz. 14
Möchte der Verkäufer bei Abnahmeverzug des Käufers den Neuwagen liefern und als Gegenleistung den vollen Kaufpreis zuzüglich ggf. eingetretener Folgeschäden als Schadensersatz vom Käufer verlangen, darf er nicht vom Kaufvertrag zurücktreten, weil die Primärleistungspflichten infolge des Rücktritts entfallen, sondern muss Schadensersatz statt der Leistung oder Erfüllung des Schadensersatzes neben der Leistung vom Käufer verlangen.
Rz. 15
Ansonsten stehen dem Verkäufer zur Schadensbezifferung zwei Möglichkeiten offen. Er kann auf die in Abschn. V. Nr. 2 NWVB aufgeführte Schadenspauschale in Höhe von 15 % des Kaufpreises zurückgreifen oder den Schaden konkret geltend machen.
Rz. 16
Der konkrete Schaden wird ermittelt, indem man vom Verkaufspreis den Einkaufspreis abzieht und diese Summe noch um ersparte Aufwendungen vermindert. Unter ersparte Aufwendungen fallen solche Fixkosten, von denen der Käufer beweisen kann, dass sie im Fall der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung höher gewesen wären als bei Nichtabnahme des Fahrzeugs. Da der Schadensersatzanspruch regelmäßig nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegt, ist bei seiner Ermittlung anhand des Bruttokaufpreises ein Betrag in Höhe der Umsatzsteuer abzuziehen.
Rz. 17
Bei der abstrakten Schadensberechnung streitet zugunsten des Verkäufers die Vermutung des § 252 S. 2 BGB, wonach der Händler dem "gewöhnlichen Lauf der Dinge" entsprechend marktgängige Ware jederzeit zum Marktpreis absetzen kann. Der im entgangenen Gewinn bestehende Schaden des Verkäufers entfällt durch einen Deckungsverkauf allein noch nicht. Denn aus § 252 BGB resultiert die weitere Vermutung, dass der Verkäufer selbst bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Erstvertrages mit einem Zweitkäufer einen Kaufvertrag geschlossen hätte, zu dessen Erfüllung er ebenfalls imstande gewesen wäre, so dass ihm der entsprechende Gewinn aus dem Zweitgeschäft entgangen ist.
Rz. 18
Daher hat der Käufer letztlich zu beweisen, dass das Zweitgeschäft nicht zustande gekommen wäre, wenn er seinen Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Diese schwierige Beweislage ist dem Käufer zuzumuten, weil er seinen vertraglichen Pflichten zuwider gehandelt und auf der anderen Seite der Verkäufer ein berechtigtes Interesse daran hat, dem oft problembehafteten Nachweis der konkreten Schadenshöhe entgehen zu können.
Rz. 19
Dem Käufer muss gem. § 309 Nr. 5b BGB der Nachweis offen stehen, dass nur ein geringerer oder gar kein Schaden eingetreten ist, wie es in Abschn. V. Nr. 2 S. 3 NWVB vorgesehen ist.
Rz. 20
Der Käufer kann aufgrund der Vermutungen des § 252 BGB gegen die Schadensersatzverpflichtung nur einwenden, dass es sich nicht um marktgängige Ware gehandelt habe, der Verkäufer außerstande gewesen sei, einen zusätzlichen Kaufvertrag zu erfüllen, weil das dem Händler vom Lieferanten zugeteilte Kontingent an Fahrzeugen aufgrund starker Nachfrage nicht ausreiche. Oder der Zweitkäufer eigentlich einen solchen Neuwagen nicht erwerben wollte.
Rz. 21
Die Pauschalierung des Schadens ist nach § 309 Nr. 5 BGB nicht zu beanstanden, wenn sie sich im Bereich des nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schadens bewegt. Dies wird der "15 %-Klausel" in Rechtsprechung und Literatur zugestanden, obwohl der seit geraumer Zeit niedrigere branchentypische Durchschnittsgewinn eine Korrektur nach unten verlangt.
Rz. 22
Der durchschnittliche Händlerrabatt von vormals 17 % ist bis auf 14 % herabgesetzt worden, abhängig von der Abnahmequote, mit der vereinzelten Gelegenheit der Steigerung, wenn Marktauslastung, Leistung, Kundenzufriedenheit oder andere relevante Faktoren dies ermöglichen. Das Neuwagengeschäft kann mit einem Netto-Ergebnis, vor Steuer und bereinigt um alle Kosten, von nur 1,3 % des Kaufpreises für einen Händler nicht mehr das für seinen Geschäftsbetrieb prägende Segment sein. Die geringen Gewinnspannen werden zudem infolge des extremen Konkurrenzdrucks noch weiter beschnitten, weil die Händler zur Gewährung erheblicher Preisnachlässe im Neuwagenhandel gezwungen sind.
Rz. 23
Die aufgezeigte Entwicklung beweist, dass "der gewöhnliche Lauf der Dinge" nunmehr ein anderer als noch vor einigen Jahren ist. Demzufolge ist eine Pauschale von 15 % nicht länger mit § 309 Nr. 5a BGB zu vereinbaren.
Rz. 24
Praxistipp
Auch wenn die obergerichtliche Rechtsprechung die geänderten Verhältnisse im Kraftfahrzeughandel noch nicht nachvollzogen hat, lohnt es sich, sorgfältig gegen die scheinbar in Stein gemeißelte Pauschale zu argumentieren, da der Verkäufer zur konkreten Schadensberechnung oftmals nicht bereit ist, um seine Kalkulation nicht offen legen zu müssen.
Rz. 25
Auch der Einfluss einer Rabattgewährung auf die Berechnung der Schadenspauschale wird unterschiedlich beantwortet. Einer Ansicht zufolge wird der Betrag der Schadenspauschale in Höhe von 15 % des rabattbereinigten Kaufpreises veranschlagt, da ein zwischen den Parteien vereinbarter Nachlass den Kaufpreis und nicht die Höhe der Pauschale ...