Rz. 39
Sofern Personen Rechte zustehen, dürfen sie diese auch grundsätzlich ausüben. Dem entspricht es, dass andere in diese Rechte nicht eingreifen dürfen. Von diesen Grundsätzen bestehen jedoch Ausnahmen.
I. Schikaneverbot
Rz. 40
So dürfen Rechte nicht ausgeübt werden, wenn dies nur deshalb geschieht, um anderen zu schaden. Man spricht hier vom sog. "Schikaneverbot" (§ 226 BGB).
II. Notwehr, Notstand und Selbsthilfe
Rz. 41
Wie oben bereits dargelegt wurde, dürfen andere grundsätzlich in fremde Rechte nicht eingreifen. Tun sie es doch, hat der betroffene Rechtsinhaber das Recht, sich dagegen zu wehren. Dabei hat er grundsätzlich staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, aus eigener Kraft darf man seine Rechte normalerweise nicht durchsetzen. Hiervon enthalten die §§ 227 ff., 904 BGB wichtige Ausnahmen.
1. Notwehr
Rz. 42
Notwehr ist diejenige Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (§ 227 BGB). Ist eine Handlung, durch die in Rechte anderer eingegriffen wird, durch Notwehr geboten, ist sie nicht widerrechtlich und daher erlaubt. Ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff kann nur von einer Person ausgehen. Geschützt sind alle Rechtsgüter, d.h. Leben, Gesundheit, Eigentum, etc.
2. Notstand
Rz. 43
Der Notstand gliedert sich in zwei Unterarten:
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Verteidigungsnotstand Von diesem spricht man, wenn eine Sache beschädigt oder zerstört wird, um eine durch diese Sache drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden. Beispiel:Das Haus des A, der unbekannten Aufenthalts ist und seit Jahren nicht mehr gesehen wurde, droht einzustürzen und dabei das danebenstehende Haus des B zu zerstören oder zu beschädigen. B kann hier das Haus des A einreißen lassen, sofern nicht eine Abstützung die Gefahr bannen würde. |
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Angriffsnotstand Geht beim Verteidigungsnotstand die Gefahr von der zu zerstörenden oder zu beschädigenden Sache selbst aus, wird beim Angriffsnotstand die Sache benötigt, um eine von anderer Seite drohende Gefahr abzuwenden. Beispiel:Das Haus des A, der abwesend ist, beginnt zu brennen. Weil B, der zufällig vorbeikommt, keinen Schlauch zur Hand hat, bricht er beim Nachbarn des A, C, den Gartenschuppen auf, nimmt den Schlauch und beginnt, das Feuer zu löschen. Das Handeln von B ist gerechtfertigt. Er muss dem C aber den entstandenen Schaden ersetzen. |
3. Selbsthilfe
Rz. 44
Selbsthilfe ist die eigenmächtige Sicherung der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche ohne Hilfe des Staates. Sie ist nur in wenigen Fällen zulässig, wenn nämlich
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staatliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann und |
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die Gefahr besteht, dass ohne sofortiges Eingreifen die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird. |
Rz. 45
Als Mittel der Selbsthilfe kommen die Wegnahme, die Zerstörung oder Beschädigung einer Sache, die Festnahme einer Person oder die Beseitigung von Widerstand durch Gewalt in Betracht.
Beispiel:
Vermieter V stellt fest, dass Mieter M, der noch erhebliche Miete schuldig ist, sein Hab und Gut bereits im Auto verpackt hat, um vor den Schulden zu flüchten. Eine einstweilige Verfügung kann V angesichts dieser Sachlage nicht mehr beantragen. Da ihm jedoch Rechte aus dem Vermieterpfandrecht zustehen, kann er diese durch Selbsthilfe sichern, indem er beispielsweise die Sachen mit Gewalt in die Wohnung zurückbringt.