I. Allgemeines
Rz. 71
Rechtsgeschäfte können Fehler aufweisen, die sie nichtig, schwebend unwirksam oder anfechtbar machen.
Beispiele:
a) |
Die siebzehnjährige A will von B ein Auto kaufen, obwohl ihre Eltern dies strikt ablehnen. A geht trotzdem zu B und kauft das Auto. |
b) |
A will ihr Grundstück verkaufen, das B kaufen möchte. Beide treffen sich und kommen überein, dass das Grundstück verkauft sein soll. |
c) |
Der siebzehnjährige A hat seine Eltern nicht um Erlaubnis gefragt, ob er sich im Hinblick darauf, dass er bald achtzehn wird und die Führerscheinprüfung bereits bestanden hat, ein Auto kaufen darf. Er kauft das Auto trotzdem von B während seine Eltern im Urlaub sind. Als seine Eltern von ihrer Reise zurückkehren, freuen sie sich mit A über den günstigen Kauf. |
d) |
B will eine Lebensversicherung abschließen. Dabei kreuzt sie im Antrag an, dass sie niemals im Krankenhaus gewesen sei, obwohl sie kurz vor dem Ausfüllen des Antrags nach einem Herzinfarkt aus dem Krankenhaus entlassen worden ist. |
e) |
A ist Versandhändler. Er schickt dem B eine Liste mit seinen Angeboten. So führt die Liste auf, dass das Mountain-Bike "Trekking" 150,00 EUR kosten solle. Tatsächlich handelt es sich hier um einen Schreibfehler, das Rad kostet in Wirklichkeit 1.500,00 EUR. B bestellt ein Mountain-Bike "Trekking" zum Preis von 150,00 EUR. |
II. Nichtige Rechtsgeschäfte
Rz. 72
Nichtig ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn von Anfang an die Erfordernisse für das Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts fehlen, d.h. ein Geschäftsunfähiger eine Willenserklärung abgibt, das angestrebte Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB) oder es für die Willenserklärung an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt.
Rz. 73
Betrachtet man die oben aufgeführten Beispiele a) und b), so sieht man, dass die beiden genannten Rechtsgeschäfte nichtig sind. Im ersten Beispiel fehlt es A an der für den Kauf eines Autos notwendigen Geschäftsfähigkeit, so dass sein Kaufangebot gem. § 104 BGB nichtig ist, im zweiten Beispiel ist es für die Wirksamkeit des Kaufvertrages notwendig, dass dieser gem. § 313 BGB notariell beurkundet wird.
III. Schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte
Rz. 74
Schwebend unwirksam sind Rechtsgeschäfte, bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie wirksam werden können. Zu nennen sind hier insbesondere Rechtsgeschäfte, die von der Einwilligung (= vorherige Zustimmung, § 183 S. 1 BGB) oder Genehmigung (= nachträgliche Zustimmung, § 184 Abs. 1 BGB) Dritter abhängen, d.h. vor allem Rechtsgeschäfte, die Minderjährige ohne Einwilligung ihrer Eltern eingehen. Wird die Genehmigung erteilt, so wird das Rechtsgeschäft in vollem Umfang wirksam. Wird die Genehmigung endgültig abgelehnt, so ist das Rechtsgeschäft unwirksam, d.h. es entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung.
Betrachtet man das Beispiel c), so sieht man, dass der Minderjährige das Auto zunächst ohne Einwilligung seiner Eltern gekauft hat. Der Kauf war damit schwebend unwirksam. Erst mit der nach Urlaubsrückkehr ausgesprochenen Genehmigung des Kaufs ist dieser voll wirksam geworden.
IV. Anfechtbare Rechtsgeschäfte
Rz. 75
Anfechtbare Rechtsgeschäfte sind solche, die zunächst wirksam sind, aber eine der zum Rechtsgeschäft führenden Willenserklärungen an einem Willensmangel leidet.
Dieser Mangel kann auf einem Irrtum beruhen, § 119 BGB, oder aber darauf, dass der Erklärende zur Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder Drohung bestimmt worden ist, § 123 BGB.
Rz. 76
Betrachtet man die oben unter d) und e) dargestellten Beispiele, stellt man fest, dass darin verschiedene Anfechtungslagen geschildert werden.
Im ersten Beispiel, d), verschweigt B, dass sie gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden ist, wo sie wegen eines Herzinfarkts behandelt worden war. Durch das Verschweigen dieses Umstands täuscht sie bewusst die Versicherungsgesellschaft über das Risiko eines Versicherungsvertrages, sie handelt also arglistig. Dies berechtigt die Versicherung zur Anfechtung des Vertrages, sobald sie von dem Krankenhausaufenthalt erfährt.
Anders ist es im Beispiel e). Hier bietet A ein Fahrrad irrtümlich zu einem weit geringeren Preis an, als er tatsächlich erzielen möchte. Dadurch, dass B dieses Fahrrad bestellt, ist zunächst ein wirksamer Vertrag zustande gekommen, den A allerdings nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten könnte, denn er wollte in Wirklichkeit kein Angebot zum Verkauf eines Fahrrades zum Preis von 150,00 EUR abgeben.
Rz. 77
Als Anfechtungsgrund grundsätzlich nicht anerkannt wird der Irrtum im Beweggrund, der zur Abgabe der Willenserklärung geführt hat.
Beispiel:
A kauft einen Ring, den sie für wertvoll hält, zum Preis von 30,00 EUR. Später stellt sich heraus, dass der Ring aus billigem Blech und höchstens 5,00 EUR wert ist.
Beweggrund für den Kauf des Rings war hier die Annahme, bei dem Ring handele es sich um einen besonders günstigen Kauf. Diese Vermutung wurde später enttäuscht. Ein Recht zur Anfechtung folgt hieraus jedoch nicht, da die Hoffnung auf den Wert des Ringes nur das Motiv zum Kauf bildete.
Rz. 78
Anfechtbar sind Rechtsgeschäfte jedoch dann, wenn sie auf einem Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften e...