Rz. 403
Zitat
SGB X § 116
a) Der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang findet bei Sozialleistungen, die aufgrund eines Sozialversicherungsverhältnisses erbracht werden, in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses statt, sofern zu diesem Zeitpunkt ein Versicherungsverhältnis besteht.
b) Bei Sozialleistungen, die nicht aufgrund eines Sozialversicherungsverhältnisses erbracht werden, ist für den Zeitpunkt des Rechtsübergangs maßgebend, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls eine Leistungspflicht ernsthaft in Betracht zu ziehen ist.
c) Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für Sozialleistungen, die nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses anknüpfen, sind nicht auf Sozialleistungen eines Sozialversicherungsträgers zu übertragen.
a) Der Fall
Rz. 404
Die Klägerin, ein Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung, hat gegen die Beklagten mit der im Jahre 2007 erhobenen Feststellungsklage Ersatzansprüche aus gemäß § 116 Abs. 1 S. 1, § 119 Abs. 1 S. 1 SGB X übergegangenem Recht der Geschädigten S. P. geltend gemacht, die als Sechsjährige bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde. Der Beklagte zu 2 bog am 20.12.1995 mit einem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Lkw, dessen Halterin die Beklagte zu 3 war, in B. von der B.-Straße in die K.-Straße ein. Die Geschädigte, die sich zuvor auf dem Gehweg der K.-Straße befunden hatte, lief auf die Fahrbahn und geriet dabei mit dem rechten Fuß unter den rechten hinteren Doppelreifen des Lkw. Sie erlitt eine Bruchverletzung des rechten Fußes sowie eine Luxationsfraktur der Halswirbelsäule. Fünf Minuten später traf ihre Mutter am Unfallort ein.
Rz. 405
Im Juli 1999 unterzeichneten die Erziehungsberechtigten der Geschädigten eine modifizierte "Abfindungserklärung" der Beklagten zu 1, in der es unter anderem heißt:
„Gegen Zahlung eines Betrages von DM 175.000 erkläre(n) ich mich/wir uns zugleich im Namen meiner/unserer Rechtsnachfolger für alle Ansprüche (ausgenommen sind auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangene/übergehende Ansprüche) abgefunden, die mir/uns aus Anlass des oben bezeichneten Schadensfalls gegen … zustehen.
Damit sind sämtliche Ansprüche endgültig und vollständig abgegolten, und zwar unabhängig davon, ob sie schon entstanden sind oder noch entstehen werden, ob sie vorhersehbar sind und ob alle Folgeschäden in die Vorstellungen der Beteiligten einbezogen sind.“
Rz. 406
Die Geschädigte war jedenfalls bis Juli 2005 nicht Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Rz. 407
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin aus nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X übergegangenem Recht die Schäden zu ersetzen, die ihr dadurch entstehen, dass sie der Geschädigten Leistungen nach dem VI. Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) erbringt. Hinsichtlich nach § 119 Abs. 1 S. 1 SGB X übergegangener Ansprüche hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagten erstrebten mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin hat die von ihr eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde und ihre Revision zurückgenommen.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 408
Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 409
Mit Erfolg wandte sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht einen Übergang des Schadensersatzanspruchs der Geschädigten auf die Klägerin gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X bereits für den Zeitpunkt des Unfalls angenommen und den übergegangenen Anspruch mit Rücksicht darauf für nicht verjährt erachtet hatte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erfolgte ein etwaiger Anspruchsübergang frühestens im August 2005.
Rz. 410
Nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz des Schadens auf einen Sozialversicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. § 116 SGB X ist mit Wirkung v. 1.7.1983 eingeführt worden (vgl. § 120 Abs. 1 SGB X). Die Vorschrift beruht auf dem früheren § 1542 RVO, wobei der inhaltlichen Ausformung der Vorschrift durch die Rechtsprechung Rechnung getragen und Zweifelsfragen entschieden werden sollten; eine Forderung soll bereits im Augenblick des schadenstiftenden Ereignisses übergehen, sofern der Versicherungsträger dem Geschädigten Leistungen zu erbringen haben wird (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf v. 13.1.1981, BT-Drucks 9/95, 27 zu § 122).
Rz. 411
Soweit es um einen Träger der Sozialversicherung geht, findet der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des zwischen dem...