Rz. 425
Zitat
SGB X § 116 Abs. 1 S. 1
a) Der Wortlaut des § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt lediglich eine Leistungspflicht voraus. Geht es um die Leistungspflicht eines Sozialversicherungsträgers, knüpft diese regelmäßig an ein Sozialversicherungsverhältnis an. Für den Forderungsübergang ist es nach dem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck des § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X unerheblich, ob der Geschädigte an diesem beteiligt oder durch die Leistungspflicht nur begünstigt ist.
b) Hier: Forderungsübergang auf den Rentenversicherungsträger, der nach einem Verkehrsunfall auf Antrag des bei ihm versicherten Vaters Leistungen für eine sog. Kinderheilbehandlung an die durch den Unfall geschädigte, nicht rentenversicherte Tochter erbracht hat.
a) Der Fall
Rz. 426
Der klagende Kfz-Haftpflichtversicherer macht gegen den beklagten Rentenversicherungsträger einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend.
Rz. 427
Der Versicherungsnehmer der Klägerin verletzte bei einem Verkehrsunfall im Juli 2016 die damals 14 Jahre alte Schülerin L. (im Folgenden: Geschädigte) schwer. Die Beklagte erbrachte auf Antrag des bei ihr versicherten Vaters der Geschädigten für die nicht rentenversicherten Geschädigte Leistungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (sog. Kinderheilbehandlung gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI i.d.F. v. 17.7.2015). Sie forderte die Klägerin unter Berufung auf § 116 Abs. 1 SGB X auf, die Behandlungskosten in Höhe von 3.300 EUR zu erstatten. Die Klägerin kam dem unter Vorbehalt der Rückforderung nach. Mit der Klage hat sie Rückzahlung der 3.300 EUR nebst Zinsen mit der Begründung verlangt, dass ein Forderungsübergang gemäß § 116 Abs. 1 SGB X nicht stattgefunden habe, weil die Geschädigte nicht rentenversichert sei.
Rz. 428
Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 429
Vorliegend knüpft die Pflicht der Beklagten zur Leistung gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI a.F. an das Sozialversicherungsverhältnis zwischen ihr und dem Vater der Geschädigten an, wobei die Geschädigte Leistungsbegünstigte ist. Dass das Sozialversicherungsverhältnis nicht zwischen der Beklagten und der Geschädigten besteht und dass – damit zusammenhängend – die Geschädigte möglicherweise nicht formal Anspruchsinhaberin ist, steht dem Forderungsübergang gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht entgegen.
Rz. 430
Der Wortlaut des § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X setzt lediglich eine Leistungspflicht ("zu erbringen hat") voraus. Geht es um die Leistungspflicht eines Sozialversicherungsträgers, knüpft diese regelmäßig an ein Sozialversicherungsverhältnis an. Ob der Geschädigte an diesem beteiligt oder durch die Leistungspflicht nur begünstigt ist, ist nach dem Wortlaut der Vorschrift unerheblich. Eine Personenidentität zwischen dem Schadensersatzberechtigten und dem tatsächlichen Empfänger der Sozialleistung reicht für den Forderungsübergang jedenfalls aus.
Rz. 431
Dass der Senat in dem Urt. v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 – für den Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses zwischen dem dort klagenden Rentenversicherungsträger und der dortigen Geschädigten abgestellt hat, ist allein dem Umstand geschuldet, dass es dort – wie in solchen Fällen typisch – um den Forderungsübergang wegen Sozialleistungen des dortigen Rentenversicherungsträgers ging, die aus eben diesem (erst Jahre nach dem Unfall begründeten) Versicherungsverhältnis mit der Geschädigten zu erbringen waren. Um den Forderungsübergang wegen Leistungen zur Kinderheilbehandlung, die aufgrund des Rentenversicherungsverhältnisses der Mutter der dortigen Geschädigten zu erbringen waren, ging es dagegen nicht.
Rz. 432
Es ist nach alledem danach zu differenzieren, im Hinblick auf welche Sozialleistungen aus welchem Sozialversicherungsverhältnis der Forderungsübergang geltend gemacht wird. Vorliegend geht es um den Forderungsübergang wegen Sozialleistungen des beklagten Rentenversicherungsträgers zugunsten der Geschädigten, die an das Rentenversicherungsverhältnis ihres Vaters anknüpfen. Die Leistungspflicht der Beklagten aus diesem Verhältnis bildet im Streitfall die Grundlage für den Übergang des Anspruchs der Geschädigten gegen den klagenden Haftpflichtversicherer auf Ersatz der Kosten der stationären Rehabilitationsmaßnahme auf die Beklagte. Durch den Anspruchsübergang wird der Geschädigten zwar der Schadensersatzanspruch insoweit genommen, dafür hat sie aber im Ausgleich eine Leistung durch die Beklagte erhalten (vgl. Senatsurt. v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10, VersR 2012, 924 Rn 15).