Rz. 46
Zitat
OEG § 5; BVG § 81a; BGB §§ 407, 412
Für den Forderungsübergang gemäß § 5 OEG, § 81a BVG ist nicht Voraussetzung, dass der Leistungsberechtigte einen Versorgungsantrag stellt.
Für die Kenntnis von dem Rechtsübergang genügt grundsätzlich die Kenntnis von Tatsachen, nach denen mit Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zu rechnen ist.
a) Der Fall
Rz. 47
Das klagende Land (im Folgenden: der Kläger) machte gegen den Beklagten Ersatzansprüche aus nach § 5 Abs. 1 OEG, § 81a BVG übergegangenem Recht geltend. Der Beklagte ist Alleinerbe von B., der am 25.6.2003 S. tötete und sich kurz danach selbst das Leben nahm. Der Kläger erbrachte der Witwe des Opfers, Frau S., Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz.
Rz. 48
Auf den am 17.7.2003 eingegangenen Antrag von Frau S. bewilligte das Landesamt für soziale Dienste ihr mit Bescheid vom 6.1.2004 eine Witwengrundrente. Auf ihren Antrag vom 14.1.2004 wurde ihr ein Bestattungsgeld zuerkannt. Unter dem 30.9./20.10.2003 schlossen Frau S. und der Beklagte einen Vergleich, in dem dieser sich verpflichtete, an Frau S. zur Erledigung aller Ansprüche, die ihr "als Erbin" zustehen oder zustehen könnten, 26.000 EUR zu zahlen. Die Zahlung dieses Betrages ist erfolgt.
Rz. 49
Der Kläger verlangte vom Beklagten Ersatz des Bestattungsgeldes und des Unterhaltsschadens für den Zeitraum Juli 2003 bis Februar 2005. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten und seines Streithelfers hat das LG sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 50
Das Berufungsgericht war der Auffassung, dem Kläger stehe kein Anspruch aus übergegangenem Recht von Frau S. zu, weil deren Ansprüche gegen den Beklagten durch den Abfindungsvergleich erloschen seien.
Rz. 51
Das angegriffene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Ohne Erfolg wandte sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der zwischen Frau S. und dem Beklagten geschlossene Vergleich auch die Beerdigungskosten und den Unterhaltsschaden erfassen sollte.
Rz. 52
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts waren jedoch die Ansprüche von Frau S. auf Ersatz der Beerdigungskosten und ihres Unterhaltsschadens unbeschadet dieses Vergleichs auf den Kläger übergangen. Der Forderungsübergang gemäß § 5 OEG, § 81a BVG, § 823 BGB vollzog sich bereits im Augenblick der von B. begangenen Tat.
Rz. 53
Aufgrund der genannten Vorschriften geht ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten auf das zur Gewährung von Leistungen verpflichtete Land in dem Umfang über, in dem dieses nach Maßgabe des Bundesversorgungsgesetzes Leistungen an den Geschädigten oder seine Hinterbliebenen zu erbringen hat. Der Forderungsübergang hat zum Ziel, dem Berechtigten Verfügungen über Schadensersatzansprüche schon dann zu verwehren, wenn zunächst noch ungewiss ist, ob und in welcher Höhe der Versorgungsträger Leistungen erbringen wird, dieser aber in Zukunft wegen solcher Leistungen auf einen Rückgriff beim Schädiger angewiesen sein kann (vgl. Senatsurt. v. 17.4.1990 – VI ZR 276/89, VersR 1990, 1028, 1029). Für den Zeitpunkt des Rechtsübergangs ist in Fällen dieser Art nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats hinsichtlich der Vorhersehbarkeit der Leistungserbringung danach zu differenzieren, ob dem gesetzlichen Forderungsübergang Leistungen eines Sozialhilfeträgers oder eines Sozialversicherungsträgers zugrunde liegen. In den Fällen, in denen ein nur nachrangig leistungspflichtiger Sozialhilfeträger i.S.v. § 116 Abs. 1 SGB X Leistungen zu gewähren hat, findet die Legalzession statt, wenn infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, auch für eine Bedürftigkeit des Geschädigten, mit der Leistungspflicht ernsthaft zu rechnen ist (Senatsurt. BGHZ 131, 274, 279). Demgegenüber sind im Rahmen eines Sozialversicherungsverhältnisses mit Rücksicht auf diese besondere Beziehung, die eine künftige Leistungspflicht nahe legt (vgl. BGHZ 48, 181, 186), nur geringe Anforderungen an die Vorhersehbarkeit künftiger Versicherungsleistungen zu stellen. Hier reicht für einen bereits bei Schadenseintritt erfolgenden Rechtsübergang schon die – wenn auch weit entfernte – Möglichkeit aus, dass eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers gegenüber dem Verletzten irgendwie in Betracht kommt, die Leistungspflicht also nur nicht völlig unwahrscheinlich, d.h. geradezu ausgeschlossen sein darf (Senatsurt. BGHZ 127, 120, 125 f. und v. 17.4.1990 – VI ZR 276/89, a.a.O.). Nach diesen Grundsätzen vollzieht sich ein Forderungsübergang nach § 81a BVG dem Grunde nach bereits im Augenblick der Anspruchsentstehung, soweit auch nur die entfernte Möglichkeit dafür besteht, dass dem Geschädigten Versorgungsleistungen zu gewähren sein werden. Dasselbe gilt für den Rechtsübergang gemäß § 5 OEG, § 81a BVG auf den nach § 4 OEG im Rahmen der Opferentschädigun...