Rz. 129
a) Der Fall
Rz. 130
Die klagende Bundesagentur für Arbeit machte gegen die Beklagten Ersatzansprüche aus gemäß § 116 SGB X übergegangenem Recht des Versicherten N. geltend, der als einer von mehreren Insassen des von dem Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw bei einem Verkehrsunfall am 18.11.1995 schwer verletzt wurde. Das Fahrzeug war gegen 2.50 Uhr bei schneeglatter Fahrbahn von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Die dem Beklagten zu 1 um 6.05 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 ‰. N., der nicht angeschnallt war, erlitt u.a. einen knöchernen Kreuzbandausriss rechts, eine Oberschenkelfraktur rechts sowie eine Beckenschaufelfraktur rechts und eine Beckenringfraktur links. Er befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls in der Berufsausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer. Die Landesversicherungsanstalt Th. (im Folgenden: LVA), die Aufwendungen für Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation von N. erbrachte, schloss mit der Beklagten zu 2 Ende 1997/Anfang 1998 einen Abfindungsvergleich, wonach diese unter Berücksichtigung einer hälftigen Mithaftung von N. 100.000 DM an die LVA zahlte. Dabei berücksichtigten die Beteiligten das Risiko einer möglichen Frühverrentung – unter Zugrundelegung einer etwaigen monatlichen Rente von 1.800 DM und hieraus erwachsender Gesamtkosten von monatlich 2.700 DM – sowie ggf. anstehende Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation mit einem Betrag von mindestens 52.500 DM. In der Folgezeit arbeitete N. zunächst in seinem erlernten Beruf. Als er aufgrund seiner unfallbedingten Verletzungen dazu nicht mehr in der Lage war, beantragte er am 2.7.2003 beim Arbeitsamt G. die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Nach Einholung eines medizinischen und eines psychologischen Gutachtens finanzierte die Klägerin seine Umschulung zum Ergotherapeuten, wofür sie 49.484,54 EUR aufwandte.
Rz. 131
Die Klägerin begehrte Ersatz dieser Kosten und die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher weiterer Schäden. Die Beklagten waren der Auffassung, sämtliche Ansprüche seien durch den zwischen der LVA und der Beklagten zu 2 geschlossenen Vergleich abgegolten. Sie haben eingewandt, die Unfallverletzungen seien überwiegend darauf zurückzuführen, dass N. nicht angeschnallt gewesen sei. Überdies habe er gewusst, dass der Beklagte zu 1 vor Antritt der Fahrt erhebliche Mengen Alkohol getrunken gehabt habe. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Ansprüche der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei es Einwendungen hinsichtlich Mitverursachung und Mitverschulden dem Nachverfahren vorbehalten hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebten die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 132
Das Berufungsgericht meinte, bereits zum Unfallzeitpunkt seien die Schadensersatzansprüche von N. auf alle in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger übergegangen, soweit es denkbar gewesen sei, dass diese aufgrund des Unfallereignisses später einmal Leistungen zu erbringen hätten. Daher seien Schadensersatzansprüche damals auch auf die Klägerin übergegangen. Durch den Vergleich seien nur die auf die LVA übergegangenen Ansprüche abgegolten worden. Das gelte auch hinsichtlich der später von der Klägerin erbrachten Leistungen. Unabhängig davon, ob die LVA und die Klägerin Gesamtgläubiger seien, würden Ansprüche der Klägerin von dem Vergleich nicht erfasst.
Rz. 133
Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 134
Zutreffend ging das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass Ersatzansprüche des Versicherten N. gemäß § 116 Abs. 1, 10 SGB X bereits im Unfallzeitpunkt auf die Klägerin übergegangen waren.
Rz. 135
Soweit es um einen Träger der Sozialversicherung geht, findet der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungsträger bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses von vornherein eine Leistungspflicht in Betracht kommt (vgl. dazu BGHZ 19, 177, 178 und 48, 181, 186 f.). Knüpfen hingegen Sozialleistungen, wie dies nicht nur beim Sozialhilfeträger, sondern auch bei der Bundesagentur für Arbeit insbesondere bei Rehabilitationsleistungen der Fall ist, nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses an, ist für den Rechtsübergang erforderlich, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls eine Leistungspflicht ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (vgl. im Einzelnen Senatsurt. BGHZ 127, 120, 126; 133, 129, 134 f. und v. 16.10.2007...