Rz. 182
Das Berufungsgericht hielt aufgrund einer Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG die Haftung der Beklagten für die den Klägern entstandenen Schäden mit einer Quote von 60 % für gegeben. Zulasten des Beklagten sei dabei ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen, weil er sein Fahrzeug auf dem linken der drei Fahrstreifen zum Stehen gebracht und es nicht auf dem Grünstreifen zur Mittelleitplanke hin habe ausrollen lassen. Der Grünstreifen sei im Bereich der Unfallstelle ausreichend breit und ein deutlicher Höhenunterschied zwischen Fahrbahn und Randstreifen, der einem Ausweichen bei niedriger Geschwindigkeit entgegengestanden hätte, nicht vorhanden gewesen.
Rz. 183
Der Beklagte habe ferner gegen § 15 StVO verstoßen. Ihm sei zwar nicht vorzuwerfen, dass er die Unfallstelle zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht mit einem Warndreieck abgesichert gehabt habe, da nicht feststehe, dass hierfür ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden habe. Der Beklagte habe jedoch das Warnblinklicht an seinem Fahrzeug nicht eingeschaltet, was aufgrund der Angaben der von dem LG vernommenen Zeugen feststehe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die dem Beklagten anzulastende Betriebsgefahr seines Fahrzeugs erhöht gewesen sei, weil dieses an einer extrem unfallträchtigen Stelle gestanden habe. Das Liegenbleiben des Fahrzeugs selbst sei dem Beklagten hingegen ebenso wenig vorzuwerfen wie das Befahren des linken Fahrstreifens.
Rz. 184
Zulasten der Kläger berücksichtigte das Berufungsgericht einen Verstoß des Ehemanns der Klägerin gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO. Das Fahrzeug des Beklagten sei zum Unfallzeitpunkt, zu dem Tageslicht und gute Witterungsverhältnisse geherrscht hätten, für den Ehemann der Klägerin vom Ausgang der letzten Kurve vor dem Unfallort und damit aus einer Entfernung von wenigstens 800 Metern zu sehen gewesen, selbst wenn man annehme, dieser habe sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf der linken Spur befunden. Denn auch in diesem Fall sei die Sicht auf das Fahrzeug des Beklagten nicht verdeckt gewesen. Weiterer Verkehr auf der linken Fahrspur, der die Sicht hätte verdecken können, sei nicht vorhanden gewesen. Soweit die Kläger erstmals in der Berufungsinstanz zur Beeinträchtigung der Sicht des Ehemanns der Klägerin durch weiteren Verkehr vorgetragen hätten, sei dieses Vorbringen neu und deshalb nicht zu berücksichtigen.
Rz. 185
Weiterhin sei die Betriebsgefahr des Motorrads wegen seiner besonderen Gefährlichkeit im Zusammenhang mit Kollisionen höher als die eines Pkw anzusetzen. Keine weitere Erhöhung der Betriebsgefahr sei dagegen mit dem Umstand verbunden, dass mehrere Motorradfahrer in einer Gruppe zusammen gefahren seien. Die Überschreitung der an der Unfallstelle geltenden Richtgeschwindigkeit von 130 km/h durch den Verstorbenen sei nicht nachgewiesen.
Rz. 186
Das Berufungsgericht bezifferte den der Klägerin entzogenen Unterhalt auf monatlich 741,11 EUR, so dass sich unter Berücksichtigung der Haftungsquote ein Anspruch auf monatliche Zahlung in Höhe von 444,67 EUR ergebe. Die der Klägerin durch den Wegfall ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Ehemann entstandene Ersparnis in Höhe von 96,87 EUR sei im Hinblick auf das Quotenvorrecht der Klägerin nicht im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen. Auch die Witwenrente in Höhe von 622,02 EUR monatlich, die die Klägerin von der Bahnversicherungsanstalt beziehe, sei nicht im Wege des Vorteilsausgleichs anrechenbar, weil sie nicht dem Schädiger zugutekommen solle.
Rz. 187
Die von den Klägern zu 2 und 3 geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz des ihnen entzogenen Unterhalts seien in vollem Umfang begründet. Die bestehenden Ansprüche überstiegen auch bei Anrechnung der jeweils bezogenen Halbwaisenrenten in Höhe von insgesamt 238,36 EUR monatlich die eingeklagten Beträge.
Rz. 188
Revision und Anschlussrevision hatten Erfolg.
Rz. 189
Die Revision war zulässig. Sie war insbesondere uneingeschränkt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hatte die Revision unbeschränkt zugelassen. Dies ergab sich aus dem Tenor des angefochtenen Urteils. Aus den Entscheidungsgründen ließ sich eine Beschränkung der Revision nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit (dazu: BGH, Urt. v. 12.11.2004 – V ZR 42/04, NJW 2005, 894, 895; Beschl. v. 14.5.2008 – XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351, 2352) entnehmen.
Rz. 190
Die Revision der Beklagten war begründet.
Rz. 191
Sie beanstandete mit Erfolg die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verantwortungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG in der bis zum Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002 (BGBl I S. 2674 ff.) geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.). Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen (vgl. Senatsurt. v. 26.4.2005 – VI ZR 228/03, VersR 2005, 954, 956) Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall au...