Rz. 65
Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte nicht verpflichtet, der Bundesrepublik die dem Heimträger für die Unfallverletzte erstatteten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe der Haftungsquote von 55 % zu ersetzen, weil das klagende Land nicht hinreichend dargetan habe, dass es sich bei den erstatteten Rentenversicherungsbeiträgen um einen übergegangenen Schaden der Frau G. gehandelt habe.
Rz. 66
Die Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Verletzte vor dem Unfall keine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt habe und eine solche ohne den Unfall nicht aufgenommen hätte. In der Verhandlung vor dem Berufungsgericht habe das klagende Land erklärt, zu dieser Behauptung nicht vortragen zu wollen, so dass die Behauptung der Beklagten als zugestanden anzusehen sei (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Rz. 67
Diese Ausführungen hielten den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hatte einen Anspruch des Bundes gegen die Beklagte auf Ersatz der die Rentenversicherungsbeiträge für Frau G. betreffenden Erstattungsleistungen mit Recht verneint.
Rz. 68
Behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (§§ 39 ff., 136 ff. SGB IX) tätig sind, sind gemäß § 1 S. 1 Nr. 2a SGB VI in der Rentenversicherung versicherungspflichtig, wobei gemäß § 162 Nr. 2 SGB VI beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, mindestens aber 80 vom Hundert der Bezugsgröße (§ 18 Abs. 1 SGB IV) sind. Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben (§ 136 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten stehen, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, soweit sich aus dem zugrunde liegenden Sozialverhältnis nichts anderes ergibt (§ 138 Abs. 1 SGB IX). Die Beiträge zur Rentenversicherung werden bei behinderten Menschen von den Trägern der Einrichtung getragen, wenn ein Arbeitsentgelt nicht bezogen wird oder das monatliche Arbeitsentgelt 20 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt, sowie für den Betrag zwischen dem monatlichen Arbeitsentgelt und 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße, wenn das monatliche Arbeitsentgelt 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt, im Übrigen von den Versicherten und den Trägern der Einrichtung je zur Hälfte (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Der Bund erstattet den Trägern der Einrichtung die Beiträge, die auf den Betrag zwischen dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt und 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße entfallen, wenn das tatsächlich erzielte monatliche Arbeitsentgelt 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt (§ 179 Abs. 1 S. 1 SGB VI). Hinsichtlich dieser Erstattungsleistungen trifft § 179 Abs. 1a SGB VI folgende Bestimmung:
Rz. 69
Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Bund über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Erstattungsleistungen nach Abs. 1 S. 1 und 3 erbracht hat. Die nach Landesrecht für die Erstattung von Aufwendungen für die gesetzliche Rentenversicherung der in Werkstätten beschäftigten behinderten Menschen zuständige Stelle macht den nach S. 1 übergegangenen Anspruch geltend. § 116 Abs. 2 bis 7, 9 und die §§ 117 und 118 des Zehnten Buches gelten entsprechend.
Rz. 70
Angesichts dieser Rechtslage besteht ein Ersatzanspruch des Bundes gegen den Schädiger, der die Behinderung durch den von ihm (mit) zu vertretenden Unfall verursacht hat, bzw. seinen Haftpflichtversicherer nur dann, wenn der Geschädigte hinsichtlich der Leistungen aus der Rentenversicherung einen konkreten Schaden erlitten hat, weil er ohne den Unfall Versicherungsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung gehabt hätte und dieser Schutz ihm ohne die Beitragszahlungen der Werkstatt für behinderte Menschen entzogen oder verkürzt worden wäre.
Rz. 71
Für die Auslegung des § 179 Abs. 1a SGB VI kann auf die zu § 116 SGB X (und auch zu § 119 SGB X) entwickelte Rechtsprechung des erkennenden Senats zurückgegriffen werden (so auch OLG München r+s 2006, 348 f.; LG Augsburg NZV 2006, 214, 215; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 2. Aufl., Kap. 3 Rn 721 ff.; ders., VersR 2005, 1203, 1208 f.; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 9. Aufl., Rn 758; Langenick/Vatter, NZV 2005, 609, 611 ff.; Langenick, NZV 2007, 105, 108 ff.). Insoweit gilt Folgendes:
Die Beiträge zur sozialen Kranken- und Rentenversicherung einschließlich der Arbeitgeberanteile sowie die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung können grundsätzlich Gegenstand eines Regresses nach den §§ 116, 119 SGB X sein. Sie gehören zum Arbeitseinkommen des pflichtversicherten Arbeitnehmers. Der Schädiger hat deshalb während der von ihm zu vertretenden Arbeitsunfähigkeit des Versicherten auch für diese Beiträge als dessen Verdienstausfallschaden i.S.v. §§ 842, 843 BGB aufzukommen, wenn und soweit sie ...