Rz. 218
Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge von der Frage ab, ob der ohne Beteiligung des Beklagten erlassene Bescheid vom 26.1.2010 bestandskräftig sei und das Berufungsgericht gemäß § 118 SGB X binde. Insoweit seien das von dem Beklagten eingeleitete Verwaltungsverfahren und ein sich möglicherweise anschließendes sozialgerichtliches Verfahren vorrangig gegenüber dem vorliegenden Rechtsstreit. Ohne Aussetzung nach § 148 ZPO bestehe das Risiko sich widersprechender Entscheidungen der Sozial- und Zivilgerichte.
Rz. 219
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hatte auch in der Sache Erfolg, weil die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO nicht vorlagen.
Rz. 220
Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung in dem Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus.
Rz. 221
Im Streitfall war eine solche Vorgreiflichkeit des Sozialverwaltungsverfahrens für den vorliegenden Rechtsstreit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht wegen des vom Beklagten mit dem Ziel einer Beteiligung am Sozialverwaltungsverfahren eingeleiteten Verfahrens gegeben.
Rz. 222
Nach § 118 SGB X ist ein Zivilgericht, das über einen nach § 116 Abs. 1 SGB X vom Geschädigten auf einen Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch zu entscheiden hat, an eine unanfechtbare Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts oder eines Sozialversicherungsträgers über den Grund oder die Höhe der dem Leistungsträger obliegenden Verpflichtung grundsätzlich gebunden. Damit soll verhindert werden, dass die Zivilgerichte anders über einen Sozialleistungsanspruch entscheiden als die hierfür an sich zuständigen Leistungsträger oder Gerichte. Sozialrechtliche Vorfragen sollen den Zivilprozess nicht belasten und deshalb vor den Zivilgerichten grundsätzlich nicht erörtert werden. Der im Wege des Regresses in Anspruch genommene Schädiger soll deshalb grundsätzlich nicht Einwendungen gegen die Aktivlegitimation des klagenden Sozialversicherungsträgers erheben können (vgl. Senatsurt. v. 5.5.2009 – VI ZR 208/08, VersR 2009, 995 Rn 13, 17 f.). Die danach gegebene Bindungswirkung erfasst grundsätzlich auch die Feststellung der Zuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde (vgl. Senatsurt. v. 5.5.2009 – VI ZR 208/08, a.a.O., Rn 13 m.w.N.). Eine Bindungswirkung kann ausnahmsweise nicht bestehen, wenn ein von vornherein unzuständiger Leistungsträger in der irrtümlichen Annahme seiner Zuständigkeit Leistungen aufgrund eines zwar rechtswidrigen, ihn selbst aber bindenden Verwaltungsakts erbringt oder mehrere Leistungsträger ihre Zuständigkeit hinsichtlich gleichartiger sozialversicherungsrechtlicher oder sozialrechtlicher Leistungen beanspruchen (vgl. Senatsurt. v. 8.7.2003 – VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342, 347 ff.; v. 5.5.2009 – VI ZR 208/08, a.a.O., Rn 17 f. m.w.N.).
Rz. 223
§ 118 SGB X greift grundsätzlich unabhängig davon ein, ob der Schädiger am Sozialverwaltungsverfahren beteiligt worden ist (vgl. Senatsurt. v. 15.7.2008 – VI ZR 105/07, VersR 2008, 1358 Rn 20; OLG Hamm r+s 1999, 418, 419; LPK-SGB X/Breitkreuz, 3. Aufl., § 118 Rn 1). Etwas anderes gilt allerdings in Fällen, in denen dieser nach § 12 Abs. 2 SGB X zu dem Sozialverwaltungsverfahren hinzuzuziehen war; in diesen Fällen setzt die Bestandskraft ihm gegenüber voraus, dass er in der gebotenen Weise beteiligt worden ist (vgl. Senatsurt. v. 4.4.1995 – VI ZR 327/93, BGHZ 129, 195, 200 ff.; v. 20.4.2003 – VI ZR 189/03, BGHZ 158, 394, 397; v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06, VersR 2008, 255 Rn 11, 13 m.w.N.).
Rz. 224
Im Falle eines Wegeunfalls gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist der Unfallversicherungsträger zuständig; zugleich sind Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 11 Abs. 5 SGB V (früher § 11 Abs. 4 SGB V) ausgeschlossen. Der Beklagte hatte auch nicht vorgetragen, dass andere Leistungsträger ihre Zuständigkeit beanspruchten.
Rz. 225
Er machte allerdings geltend, entgegen dem Vortrag der Klägerin sei der Bescheid vom 26.1.2010 nicht bestandskräftig geworden, weil er am Sozialverwaltungsverfahren nicht beteiligt worden sei. Mit diesem Vorbringen hatte er keinen Erfolg, wenn eine Hinzuziehung des Beklagten als Beteiligter an diesem Verfahren nach § 12 Abs. 2 SGB X zu Recht abgelehnt worden war, weil der Ausgang des Sozialverwaltungsverfahrens (Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall) weder eine rechtsgestaltende Wir...