Rz. 289
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Anspruchsübergang stehe das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X nicht entgegen, hielt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 290
Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen war allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB und gemäß § 823 Abs. 2 BGB, §§ 223 Abs. 1, 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB zustand. Die Revision nahm weiter hin, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Leistungspflicht des klagenden Landes gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG angenommen hat.
Rz. 291
Mit Erfolg rügte die Revision aber, dass das Berufungsgericht eine analoge Anwendung des § 116 Abs. 6 SGB X auf den Forderungsübergang gemäß § 5 Abs. 1 OEG, § 81a Abs. 1 S. 1 BVG abgelehnt hatte.
Rz. 292
In der Literatur wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X auch in diesem Fall gilt.
Diese Ansicht ist zutreffend.
Rz. 293
Im Ausgangspunkt ist zu beachten, dass die Anwendung des Familienprivilegs bei der Geltendmachung von Regressansprüchen aufgrund erbrachter Versicherungsleistungen oder der Leistungen sonstiger Drittleistungsträger auf einem allgemeinen Rechtsgedanken beruht. Dieser fand seinen Ausdruck zunächst nur in § 67 Abs. 2 des Gesetzes vom 30.5.1908 über den Versicherungsvertrag (RGBl S. 263; VVG a.F.). Eine entsprechende Regelung fehlte im Sozialversicherungsrecht, solange der den Regress ermöglichende Forderungsübergang in § 1542 RVO geregelt war. Gleichwohl hat der erkennende Senat entschieden, dass dieser Forderungsübergang bei Schädigungen unter Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherten leben, durch den Schutzzweck der Versicherungsleistung in der Art des § 67 Abs. 2 VVG a.F. ausgeschlossen ist und dass dieser Ausschluss für alle Zweige der Sozialversicherung gilt. Sinn und Zweck des § 67 Abs. 2 VVG a.F. war zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer durch einen Rückgriff gegen einen in seiner häuslichen Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen selbst in Mitleidenschaft gezogen wird. Dabei ist davon auszugehen, dass die in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebenden Familienangehörigen meist eine gewisse wirtschaftliche Einheit bilden und dass bei der Durchführung des Rückgriffs der Versicherte im praktischen Ergebnis das, was er mit der einen Hand erhalten hat, mit der anderen wieder herausgeben müsste. Zugleich soll im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens verhindert werden, dass Streitigkeiten über die Verantwortung von Schadenszufügungen gegen Familienangehörige ausgetragen werden.
Rz. 294
§ 116 Abs. 6 SGB X, der erst für Schadensfälle ab dem 30.6.1983 gilt, normiert diese Rechtsprechung für den Bereich des Sozialgesetzbuchs. Die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, in dieser Vorschrift die in der Rechtsprechung des BGH entwickelten Rechtsgrundsätze zur Geltung zu bringen, nach denen der Forderungsübergang gemäß § 1542 RVO a.F. bei fahrlässigen Schädigungen durch Familienangehörige, die mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft leben, entsprechend der Regelung des § 67 Abs. 2 VVG a.F. ausgeschlossen ist.
Rz. 295
Schon deshalb kann daraus, dass eine entsprechende ausdrückliche Regelung bei Forderungsübergängen, die außerhalb des Sozialgesetzbuchs geregelt sind, fehlt, nicht geschlossen werden, es fehle eine planwidrige Regelungslücke, welche die Anwendung des Familienprivilegs verbietet. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung kann ersichtlich auch darauf beruhen, dass die Frage der Anwendbarkeit des Familienprivilegs im Gesetzgebungsverfahren nicht bedacht worden ist, wie dies während der Geltung des § 1542 RVO a.F. der Fall war.
Rz. 296
Dementsprechend hat der erkennende Senat den in § 67 Abs. 2 VVG a.F. (jetzt § 86 Abs. 3 VVG) und § 116 Abs. 6 SGB X normierten Rechtsgedanken auch bei den in § 4 LFZG geregelten Forderungsübergängen angewendet. Dementsprechend wird das Familienprivileg zutreffend auch auf den Anspruchsübergang nach § 76 BBG (§ 87a BBG a.F.) und nach den entsprechenden Landesgesetzen angewendet.
Rz. 297
Dass der Gesetzgeber die Anwendung des Familienprivilegs bei Forderungsübergängen im Bereich des Opferentschädigungsgesetzes habe ausschließen wollen, ist nicht ersichtlich.
Rz. 298
Schon die Verweisung des § 5 OEG auf § 81a BVG deutet darauf hin, dass eine Anwendung des Familienprivilegs auch hier geboten ist. Gemäß § 81a Abs. 1 S. 3 BVG kann der Übergang des Anspruchs nicht zum Nachteil des Berechtigten geltend gemacht werden. Dies entspricht der Regelung in § 86 Abs. 1 S. 2 VVG. Mit Recht wird darauf hingewiesen, dass bereits diese Bestimmung die Haftungsprivilegierung von Familien- bzw. Haushaltsangehörigen nahelegt, weil darin der Normzweck zum Ausdruck kommt, den Regress zu verhindern, wenn dad...