Rz. 322
Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 323
Im Ergebnis zutreffend hielt das Berufungsgericht die Klage für zulässig. Zwar machte das klagende Land – anders als das Berufungsgericht zu meinen schien – keine eigenen, auf das Land "als Träger der örtlichen Sozialhilfe gemäß § 179 Abs. 1a, S. 4 SGB VI übergegangen[en]" Schadensersatzansprüche geltend, sondern vielmehr fremde, (angeblich) gemäß § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI auf den Bund übergegangene Schadensersatzansprüche. Doch bestanden hiergegen keine Bedenken, da das klagende Land gemäß § 179 Abs. 1a S. 2 SGB VI prozessführungsbefugt war. Es handelte sich um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft (vgl. auch Senatsurt. v. 10.7.2007 – VI ZR 192/06, BGHZ 173, 169 Rn 1).
Rz. 324
Mit Recht hielt das Berufungsgericht die Klage für unbegründet. Im Zeitpunkt eines möglichen Anspruchsübergangs gemäß § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI stand D. B. gegen den Beklagten kein übergangsfähiger Anspruch mehr zu.
Rz. 325
Der in § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI geregelte Übergang von Schadensersatzforderungen auf den Bund setzt voraus, dass beim Verletzten ein Schadensersatzanspruch entstanden ist, der mit den Erstattungsleistungen des Bundes sachlich und zeitlich kongruent ist (Senatsurt. v. 10.7.2007 – VI ZR 192/06, BGHZ 173, 169 Rn 10 ff.). Dieser Anspruch muss fortbestehen, damit der Forderungsübergang greifen kann. Andernfalls geht der Forderungsübergang ins Leere (vgl. schon RGZ 60, 200, 202 f.).
Rz. 326
Im Streitfall ging ein etwaiger dem Verletzten D. B. gegen den Beklagten zustehender Anspruch auf Ersatz entgangener Beitragsleistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls mit Abschluss und Erfüllung der "Vergleichs- und Abfindungsvereinbarung" im Jahr 2001 unter, sollte der Anspruch nicht bereits zuvor auf den Bund übergegangen sein. Da die den streitgegenständlichen Ansprüchen zugrundeliegenden Erstattungsleistungen nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erst ab August 2007 erfolgten, kam ein Anspruchsübergang auf den Bund mithin nur dann in Betracht, wenn für den Übergangszeitpunkt nicht die Vornahme der Erstattungsleistungen maßgebend war, sondern der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bzw. des – im Streitfall nachfolgenden – Inkrafttretens der Vorschrift des § 179 Abs. 1a SGB VI zum 1.1.2001.
Rz. 327
Die damit streitentscheidende Frage nach dem Zeitpunkt des Anspruchsübergangs bei Anwendung des § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI war höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Soweit sie im Schrifttum erörtert wurde, überwiegt die auch vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, es sei bei § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI – anders als im Falle des § 116 SGB X – auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Erstattungsleistungen erbracht werden. Begründet wird dies insbesondere mit dem Gesetzeswortlaut (vgl. Jahnke, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 843 Rn 43; ders., Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 3. Aufl., Kap. 3 Rn 1116; ders., VersR 2005, 1203, 1206 f.; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 11. Aufl., Rn 758; Lang, jurisPR-VerkR 8/2014 Anm. 1; ders., jurisPR-VerkR 9/2013 Anm. 1; Langenick/Vatter, NZV 2005, 609, 614; Wenzel/Stahl, Der Arzthaftungsprozess, Kap. 5 Rn 322; a.A. Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 30 Rn 152; lediglich zweifelnd ders., FD-SozVR 2014, 354729). Der erkennende Senat teilt diese Einschätzung.
Rz. 328
Ausgangspunkt der Auslegung ist der eindeutige Wortlaut des § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI. Danach "geht" ein Schadensersatzanspruch auf den Bund über, "soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Erstattungsleistungen nach Absatz 1 Satz 1 und 3 erbracht hat". Die Verwendung des Perfekts in dem mit dem Wort "soweit" beginnenden Nebensatz gegenüber der Verwendung des Präsens im Hauptsatz lässt jedenfalls bei isolierter Betrachtung des Gesetzeswortlauts nur den Schluss zu, dass die Erbringung der Erstattungsleistungen dem Anspruchsübergang vorausgeht. Darin liegt die – von der Revision zu Unrecht vermisste – Aussage des Gesetzeswortlauts zum Zeitpunkt des Forderungsübergangs und genau in diesem Punkt unterscheidet sich die Vorschrift des § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI ("erbracht hat") von derjenigen des § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X ("zu erbringen hat"). Die von Plagemann (FD-SozVR 2014, 354729) angenommene "ähnlich[e"] Formulierung besteht insoweit also gerade nicht.
Rz. 329
Ähnlich ist der vom Gesetzgeber in § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI gewählten Formulierung indes etwa der Wortlaut des § 6 Abs. 1 EFZG, nach dem ein dem Arbeitnehmer gegen einen Dritten zustehender Schadensersatzanspruch "insoweit auf den Arbeitgeber über[geht], als dieser dem Arbeitnehmer […] Arbeitsentgelt fortgezahlt und […] Beiträge […] abgeführt hat". Hier ist anerkannt, dass der Arbeitgeber den Anspruch erst im Zeitpunkt seiner Leistung erwirbt, so dass er Forderungen nur insoweit erwerben kann, als diese nicht bereits auf andere übergegangen sind (Senatsurt. v. 2.12.2...