Rz. 488
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in r+s 2007, 260 veröffentlicht ist, folgte der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Senatsurt. BGHZ 168, 161, 163 ff.), wonach der Sozialversicherungsträger wegen der von ihm erbrachten Aufwendungen beim Rückgriff nach § 110 SGB VII grundsätzlich auch auf den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten gegen den nach den §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger zurückgreifen kann. Aufgrund der unfallbedingten Verletzungen des Geschädigten sei dessen fiktiver Schmerzensgeldanspruch mit 25.000 EUR zu bemessen. Mit diesem Betrag seien die Rentenzahlungen der Klägerin für 1999/2000, 2001 und 2002 (insgesamt ca. 20.000 EUR), ihr im Jahre 2002 entstandene Gutachterkosten von ca. 400 EUR sowie ihre Rentenzahlungen für 2003 in Höhe von ca. 4.700 EUR ausgeglichen. Dass dem Geschädigten über den Schmerzensgeldanspruch hinaus ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zustehe, habe die Klägerin, die insoweit jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast treffe, nicht dargelegt. Bei einem Rückgriff gemäß § 110 SGB VII trage der Sozialversicherungsträger die Beweislast hinsichtlich der Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs.
Rz. 489
Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Das Berufungsgericht ging davon aus, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass dem Geschädigten über seinen – von beiden Parteien nach Grund und Höhe nicht in Zweifel gezogenen – Schmerzensgeldanspruch hinaus ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zustehe. Diese Beurteilung ließ keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 490
Ohne Erfolg machte die Revision geltend, das Berufungsgericht habe die Grundsätze der so genannten sekundären Darlegungslast verkannt. Dies traf nicht zu. Derjenige, der im Rechtsstreit eine negative Tatsache darlegen und beweisen muss, kann sich zunächst auf deren schlichte Behauptung beschränken. Vorliegend war dem Vortrag des Beklagten zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Anspruchshöhe i.V.m. seinem Antrag auf Klageabweisung die Behauptung zu entnehmen, dass es an einem weiteren zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Versicherten fehle. Auch hatte das Berufungsgericht festgestellt, dass der Beklagte seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit über die bereits bezahlten Beträge hinaus bestritten habe. Dieses Vorbringen genügte grundsätzlich zur Behauptung des Nichtbestehens eines weitergehenden Anspruchs.
Rz. 491
Allerdings traf die Klägerin im Streitfall nicht nur eine sekundäre Darlegungslast, sondern die primäre Darlegungs- und Beweislast.
Rz. 492
Die Frage, wer bei einem Rückgriff des Sozialversicherungsträgers nach § 110 SGB VII die Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs darlegen und beweisen muss, ist streitig. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, der Sozialversicherungsträger könne über § 110 SGB VII seine Aufwendungen in voller Höhe geltend machen, während der Schädiger darlegen müsse, dass der (fiktive) zivilrechtliche Schadensersatzanspruch des Geschädigten niedriger sei. Demgegenüber sieht die Gegenmeinung die Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Sozialversicherungsträgers (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 110 SGB VII [Stand: März 2007] Rn 7.2; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, § 110 [Stand: Juli 2007] Rn 15; Hauck/Nehls, SGB VII, K § 110 [Stand: April 2005] Rn 19; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 32 Rn 29; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 32 Rn 137; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 9. Aufl., Rn 563; ders., NZV 2005, 393, 396 ff.; Krasney, NZS 2004, 68, 75; Lemcke/Heß, r+s 2007, 221, 228 ff.; Lemcke, r+s 2005, 307, 308). Dieser Auffassung ist der BGH gefolgt.
Rz. 493
Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut der Vorschrift als auch die Systematik der gesetzlichen Regelung. § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII bestimmt, dass haftungsprivilegierte Personen, die den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen haften, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs. Daraus folgt, dass der Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungsträgers von vornherein nur in Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs besteht. Zwar nimmt die Vorschrift zur Frage der Darlegungslast und der dieser grundsätzlich folgenden Beweislast nicht ausdrücklich Stellung, doch gilt als Grundregel, dass jede Partei die Voraussetzungen einer ihr günstigen Norm darzulegen und zu beweisen hat. Deshalb ist es grundsätzlich Sache des Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und ggf. zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen.
Rz. 494
Dieser Gesetzesauslegung steht nicht entgegen, dass die im zweiten Halbsatz der Vorschrift geregelte Begrenzung des Anspruchs mit dem Wort "jedoch...