Rz. 151
BGH, Urt. v. 2.12.2008 – VI ZR 312/07, VersR 2009, 230
Zitat
RVO § 1542; ZPO §§ 322, 325; BGB § 823 Abs. 1 (F); EFZG § 6
a) |
Die Verletztenrente aus der Unfallversicherung vermindert infolge der Kongruenz mit dem Erwerbsschaden des Verletzten den Anspruch des Arbeitgebers auf Ersatz wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit geleisteter Lohnfortzahlungen. |
b) |
Die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Schädigers dem Grunde nach festgestellt worden ist, umfasst nicht die Frage, ob und in welcher Höhe für einen bestimmten Zeitraum ein Verdienstausfallschaden eingetreten ist. |
c) |
Erfüllt der Schädiger Einzelansprüche des Geschädigten, so liegt darin eine Leistung auf den Gesamtanspruch, durch die auch dessen Verjährung unterbrochen (§ 208 BGB a.F.) bzw. neu begonnen wird (§ 212 BGB n.F.). |
I. Der Fall
Rz. 152
Die Klägerin nahm als Arbeitgeberin den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Erstattung der Kosten einer Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer R. in Anspruch. R. erlitt am 9.3.1967 durch einen Verkehrsunfall, der vom Versicherten des Rechtsvorgängers des Beklagten verursacht worden ist, erhebliche Verletzungen. Die zuständige Berufsgenossenschaft zahlte an R. eine Verletztenrente seit dem Unfall. Die Einstandspflicht des Versicherers für die zukünftigen materiellen Schäden des R. war im Rechtsstreit zwischen R. und dem Versicherer vor dem LG Limburg (4 O 56/73) durch Urt. v. 6.7.1973 rechtskräftig festgestellt worden. R. war zum Unfallzeitpunkt und blieb auch in der Folgezeit bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin und sodann bei dieser beschäftigt. Mit "Abtretungserklärung" vom 11.8.1967 trat er Schadensersatzansprüche wegen Verdienstausfalls an seine Arbeitgeberin ab. Er war wiederholt wegen der Unfallverletzungen arbeitsunfähig. Die Forderungen der Klägerin auf Ausgleich der Entgeltfortzahlung wurden jedes Mal ohne Einwendungen vom Rechtsvorgänger des Beklagten ausgeglichen. Die letzte Zahlung erfolgte im Jahr 2001. Vom 23.2.2004 bis 2.4.2004 erkrankte R. wiederum unfallbedingt. Die Klägerin forderte den Beklagten als Rechtsnachfolger des Versicherers ohne Erfolg zur Erstattung der von ihr geleisteten Entgeltfortzahlung auf.
Rz. 153
Der Beklagte hielt die Klägerin wegen des Übergangs der Ansprüche des Geschädigten auf den Sozialversicherungsträger nicht für aktivlegitimiert. Er wandte außerdem ein, dass der geltend gemachte Anspruch verjährt sei.
Rz. 154
Das LG hat die Klage wegen Verjährung der Forderung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und den Beklagten antragsgemäß bis auf einen geringfügigen Zinsbetrag zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte der Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des LG.
II. Die rechtliche Beurteilung
Rz. 155
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Feststellungen des Berufungsgerichts ließen nicht erkennen, ob und inwieweit die Klägerin aktivlegitimiert war.
Rz. 156
Mit Recht wies die Revision darauf hin, dass der Anspruch des R. gegen den Schädiger bzw. gegen den hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherer – nunmehr den Beklagten – auf Ersatz des Verdienstausfalls (§§ 842, 843 BGB) der Klägerin nicht zustand, sofern er im Unfallzeitpunkt bereits auf den Sozialversicherungsträger (künftig: SVT) übergegangen war. Dass R. seit dem Unfall Verletztenrente erhielt, war außer Streit.
Rz. 157
Im Ausgangspunkt zutreffend sah das Berufungsgericht die Verletztenrente als eine laufende pauschale Entschädigung für unfallbedingte Erwerbseinbußen an. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurt. BGHZ 85, 127, 130; 153, 133, 120 ff.; v. 20.5.1958 – VI ZR 130/57, VersR 1958, 454, 456; v. 30.6.1970 – VI ZR 5/69, VersR 1970, 899; v. 21.6.1977 – VI ZR 16/76, VersR 1977, 916; v. 9.3.1982 – VI ZR 317/80, VersR 1982, 552 f.; v. 4.12.1984 – VI ZR 117/83, VersR 1985, 356) stellt die Verletztenrente eine gesetzlich geregelte Entschädigung dafür dar, dass der Verletzte infolge des Unfalls in seiner Fähigkeit beeinträchtigt ist, sich einen Erwerb zu verschaffen. Dabei wird nicht auf den tatsächlich eingetretenen Verdienstentgang abgestellt, wie dies bei der Bemessung der Schadensersatzpflicht des Verantwortlichen nach haftpflichtrechtlichen Grundsätzen erforderlich ist, sondern nach Bruchteilen der vollen Erwerbsfähigkeit ermittelt, inwieweit der Verletzte mit den ihm verbliebenen Kräften auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar noch in Wettbewerb treten kann. Grundsätzlich wird alsdann die Höhe der Rente auf der Grundlage des im letzten Jahr vor dem Unfall erzielten Jahresarbeitsverdienstes errechnet.
Rz. 158
Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass die Leistungen sachlich nicht kongruent seien. Die Leistungspflicht des SVT hinsichtlich Verletztengeld und -rente ist zeitlich und sachlich kongruent zum Schadensersatzanspruch des Geschädigten wegen des Verdienstausfalls im fraglichen Zeitraum (st. Rspr. vgl. etwa ...