Rz. 80
Das Berufungsgericht hatte den geltend gemachten Anspruch des Klägers aus §§ 7, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 3 PflVG in voller Höhe bejaht. Der Einwand der Beklagten zu 2, es habe ein Verteilungsverfahren gemäß § 156 Abs. 3 VVG stattfinden müssen und stattgefunden, weil dem Kläger kein Befriedigungsvorrecht gemäß § 116 Abs. 4 SGB X zustehe, sei unberechtigt. Selbst unter Zugrundelegung der Berechnung der Beklagten zu 2 stehe dem Kläger noch mehr als die im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Summe zu. Für das Verlangen der Beklagten zu 2, den Kläger auf eine monatliche geringe Rentenzahlung statt einer Kapitalzahlung zu verweisen, gebe es keine Rechtsgrundlage.
Rz. 81
Das angefochtene Urteil hielt einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rechtsfehlerhaft hatte das Berufungsgericht vor der Entscheidung über die Höhe der Ansprüche des Klägers für die Zeit vom 1.3.1997 bis zum 28.2.2002 nicht geklärt, sondern offen gelassen, ob ein den Voraussetzungen von § 156 Abs. 3 VVG genügendes Verteilungsverfahren durchgeführt worden ist.
Rz. 82
Der geltend gemachte Direktanspruch des Klägers aus § 3 Nr. 1 PflVG gegen die Beklagte zu 2 als Kfz-Haftpflichtversicherer setzt eine Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis voraus. Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus den zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags getroffenen Vereinbarungen (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2006 – IV ZR 316/04). Danach ist der Direktanspruch des Geschädigten hinsichtlich seiner Geltendmachung insbesondere durch das versicherte Risiko und die vereinbarte Versicherungssumme nach näherer Maßgabe des jeweiligen Versicherungsvertrages begrenzt. Der Versicherer soll durch die unmittelbare Inanspruchnahme aus dem Direktanspruch des außerhalb des Versicherungsvertrags stehenden Dritten nicht über das hinaus belastet werden, was er aus dem Versicherungsvertrag zu regulieren verpflichtet ist.
Rz. 83
Soweit es um die Erschöpfung der Versicherungssumme geht, ist deshalb in Teilen auch der Direktanspruch – unbeschadet einer Eigenständigkeit als gesetzlicher Haftpflichtanspruch gegenüber den vertraglichen Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis – durch die Regeln festgelegt, die für die Begrenzung des Deckungsanspruchs aus dem Versicherungsverhältnis gelten. Obwohl das Pflichtversicherungsgesetz sie nicht ausdrücklich in Bezug genommen hat, sind daher nach der in Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegenden Meinung unter anderen die Bestimmungen der §§ 155, 156 VVG auch für den Direktanspruch maßgebend. Ein Haftpflichtversicherer, der aus demselben Schadensereignis mehreren "Dritten" verantwortlich ist, darf deshalb nicht den Gläubiger, der als erster seinen Anspruch geltend macht, zu Lasten der später kommenden "Dritten" voll befriedigen, wenn die Versicherungssumme nicht zur Befriedigung aller Direktansprüche ausreicht (kein Prioritätsprinzip; § 156 Abs. 1 VVG). Vielmehr ist die Versicherungssumme auf die Forderungen aller beteiligten "Dritten" verhältnismäßig zu verteilen (§ 156 Abs. 3 S. 1 VVG). "Dritte" im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur der Geschädigte selbst, sondern auch die Sozialversicherungsträger, auf die Ansprüche des Geschädigten ganz oder teilweise übergegangen sind (vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 156 Rn 17). Ob die Forderungen dieser "Dritten" bereits tituliert sind, ist unerheblich; auch erst in Zukunft fällig werdende Ansprüche sind von Anfang an in die Verteilung einzubeziehen (vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann, a.a.O. Rn 24). Jedoch können solche Gläubiger keine anteilige Befriedigung beanspruchen, mit deren Forderungen der Haftpflichtversicherer nach näherer Maßgabe von § 156 Abs. 3 S. 2 VVG bis zu der Verteilung nicht rechnen musste.
Rz. 84
Voraussetzung für eine Anwendung des § 156 VVG ist hiernach, dass erkennbar die zur Verfügung stehende Versicherungssumme überschritten wird. Die Beklagte zu 2 haftet nur im Rahmen der Mindestversicherungssumme, wie das Berufungsgericht bereits in seinem ersten Urteil rechtskräftig festgestellt hat. Dass diese Summe überschritten werden wird, liegt zwar angesichts des Schadensbildes des zum Unfallzeitpunkt erst vierzehnjährigen Klägers (lebensgefährliche Schädel-Hirn-Verletzungen, seitdem Bewegungseinschränkungen, Einschränkungen der Sprache und der Feinmotorik, Angewiesensein auf den Rollstuhl, schweres hirnorganisches Psychosyndrom) nahe, wird aber unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung festzustellen sein (vgl. § 287 Abs. 1 ZPO). Die Versicherungssumme reicht im Einzelfall dann nicht aus, um alle Direktansprüche zu befriedigen, wenn die nach Abzug der Kapitalzahlungen auf Ansprüche, die keine Rentenansprüche sind, verbleibende Versicherungssumme geringer ist als die Summe der Kapitalisierungswerte aller zu erbringenden Rentenleistungen. In einem solchen Fall muss der Haftpflichtversicherer die Versicherungssumme verhältnismäßig verteilen (§ 156 Abs. 3 S. 1 VVG).
Rz. 85
Der Anwendung von § 156 VVG stand ...