Rz. 71
Die tarifvertraglichen Verfallfristen, insbesondere nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, haben sich in der Praxis bewährt in der Zielsetzung, eine alsbaldige abschließende Klarheit und Sicherheit über bestehende Ansprüche der Vertragsparteien zu erreichen. Wenn das Arbeitsverhältnis nicht einer tarifvertraglichen Regelung unterliegt, ist die vertragliche Vereinbarung von Ausschlussfristen zulässig und zu empfehlen. Dabei sollte die schriftliche Geltendmachung innerhalb der festzulegenden Frist gefordert werden. Da die einmal erfolgte Geltendmachung die Ausschlussfrist auch für die Zukunft wahrt, ist ggf. im Wege einer zweistufigen Ausschlussfristenregelung nach der schriftlichen die gerichtliche Geltendmachung in angemessener weiterer Frist zu verlangen, wenn der Anspruch nicht verfallen soll.
Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Ausschlussfristklausel unzulässig und unwirksam, wenn eine kürzere Ausschlussfrist als 3 Monate vereinbart wird. Das gilt auch im Fall einer zweistufigen Ausschlussfrist für die Frist zur Erhebung der Klage. Ist die Klausel trennbar geregelt, bleibt die Regelung zur ersten Stufe unberührt, wenn lediglich die Frist für die zweite Stufe weniger als 3 Monate beträgt. Enthält eine Verfallklausel – sprachlich verschränkt – inhaltlich trennbare Ausschlussfristenregelungen für verschiedene Arten von Ansprüchen, kann der Vertragstext des unwirksamen Teils der Klausel zur Auslegung der verbleibenden Regelung herangezogen werden. Eine Verfallklausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn ihm zur Geltendmachung (hier: Geltendmachung von Zuschlägen) nicht eine Mindestfrist von 3 Monaten ab Fälligkeit des nicht erfüllten Anspruchs verbleibt. Der Teilbarkeit einer Klausel steht nicht entgegen, dass der verbleibende Teil – Ausschlussfristenregelung für "alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" – wegen der Auflösung der sprachlichen Verschränkung auslegungsbedürftig wird. Dies lässt nicht die inhaltliche Eigenständigkeit der verbleibenden Regelung entfallen, sondern betrifft deren Transparenz. An die Stelle einer unwirksamen vertraglichen Ausschlussfrist treten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Eine arbeitsvertragliche Klausel, wonach die Ausschlussfristen nicht gelten für Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit und ebenfalls nicht bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen, ist nicht wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1, § 276 Abs. 3 oder § 309 Nr. 7 BGB unwirksam.
Rz. 72
Die zweistufige Ausschlussfrist im Formulararbeitsvertrag wird für Verzugslohnansprüche durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrt, ohne dass es einer gesonderten klageweisen Geltendmachung diese Ansprüche bedarf. Das gilt nicht, wenn die Klausel regelt, dass die Zahlungsansprüche fristgerecht nach rechtskräftiger Entscheidung im Kündigungsschutzprozess geltend gemacht werden müssen. Für die Regelungen in tariflichen Ausschlussfristen, die grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB unterliegen, gilt nach der Rechtsprechung des BVerfG auch, dass die zweite Stufe der Ausschlussfrist durch die Kündigungsschutzklage gewahrt wird, nachfolgend BAG, dass tarifliche Ausschlussklauseln verfassungskonform dahin auszulegen sind, dass mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs im Sinne der tariflichen Ausschlussfrist gerichtlich geltend gemacht sind.
Rz. 73
Ausschlussfristen für die Geltendmachung eines durch Rechtsverordnung nach § 7 AEntG oder § 11 AEntG (§ 13 AEntG) begründeten Anspruchs auf das Mindestentgelt können nicht arbeitsvertraglich geregelt werden. Die Norm entzieht zum Schutz des Mindestentgeltanspruchs Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs der Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien und ist damit Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB. Soweit der Schutzzweck des Verbotsgesetzes reicht, ist die Klausel teilunwirksam. Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen für andere Ansprüche als den auf das Mindestentgelt verbietet § 9 S. 3 AEntG nicht.