a) Anspruch auf Beseitigung der Abmahnung, Entfernung aus der Personalakte
Rz. 629
Das BAG hat in ständiger Rechtsprechung ein Recht des Arbeitnehmers anerkannt, gegen eine Abmahnung auch gerichtlich vorzugehen.
Anspruchsgrundlage:
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Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. |
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Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. |
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Der Abwehranspruch nach §§ 242, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB. |
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Nach BAG ist die Abmahnung geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. |
Rz. 630
Anspruchsvoraussetzungen:
Der Arbeitnehmer kann die Beseitigung der durch die Abmahnung entstandenen Beeinträchtigung verlangen,
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wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, |
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wenn die Abmahnung unrichtige Tatsachenbehauptungen oder Ehrverletzungen, unsachliche Werturteile oder rechtsirrig angenommene Vertragsverstöße enthält, |
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wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wird, |
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wenn das Recht zur Abmahnung verwirkt war, |
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wenn ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte nicht mehr besteht, die Beeinträchtigung des Arbeitnehmers in seiner beruflichen Entwicklungsmöglichkeit aber fortwirkt. |
Dabei hat das BAG allerdings für ursprünglich berechtigte Abmahnungen feste Tilgungsfristen entsprechend den Vorschriften über das Bundeszentralregister oder gem. § 119 Abs. 1 Bundesdisziplinarordnung von drei bzw. zwei Jahren abgelehnt und auf alle Umstände des Einzelfalles abgestellt. Für den Löschungsanspruch sind nach der Auffassung des BAG ein erheblicher Zeitablauf und neue Umstände erforderlich, aus denen der Arbeitnehmer entnehmen kann, dass die Abmahnung ihre Wirkung verloren hat und ihr Verbleib in der Personalakte deshalb nicht mehr gerechtfertigt ist.
Rz. 631
Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist. Mit einer Abmahnung übt der Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Ein Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung setzt demnach nicht nur voraus, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion verloren hat. Der Arbeitgeber darf auch kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben. Eine Abmahnung kann für eine spätere Interessenabwägung bei einer verhaltensbedingten Kündigung auch dann noch Bedeutung haben, wenn sie ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion verloren hat. Gleichwohl besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Dokumentation einer Pflichtverletzung nicht zwangsläufig für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses. So kann ein hinreichend lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch überholter Pflichtenverstoß seine Bedeutung für eine später erforderlich werdende Interessenabwägung gänzlich verlieren. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich wird demgegenüber eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein.
Rz. 632
Nach der Rechtsprechung des BAG wird ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung verneint, wenn die Abmahnung nicht in Schriftform, sondern lediglich mündlich erteilt wurde, weil es dann an der notwendigen Rechtsbeeinträchtigung fehle.
Dagegen ist nicht erforderlich, dass es sich um eine Abmahnung im Arbeitsrechtssinne handelt (Rüge- und Warnfunktion). Auch eine Ermahnung, wie alle Schreiben oder Vorgänge, die den Arbeitnehmer belasten, können Gegenstand eines Anspruches auf Entfernung aus der Personalakte sein.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht grundsätzlich der Beseitigungsanspruch nicht mehr, es sei denn, dass der Arbeitnehmer darlegen und beweisen kann, dass die Abmahnung ihm auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann.
Dagegen entfällt die Voraussetzung für den Beseitigungsanspruch nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer sein Recht zur Gegendarstellung (§ 83 Abs. 2 BetrVG) nutzt, die zur Personalakte genommen wird.
Der Beseitigungsanspruch entfällt nicht dadurch, dass nach Auffassung des BAG der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, gegen die Abmahnung gerichtlich vorzugehen und die Einwände auch in einem späteren Kündigungsschutzprozess geltend machen kann.
Rz. 633
Bei der Beratung des Arbeitnehmers zum Vorgehen gegen eine Abmahnung kann aus taktischen Gründen von der Klage abzuraten sein,
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wenn mit einer Verschlechterung der Beweislage zu Lasten des Arbeitgebers zu rechnen ist, |
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wenn eine Klage das Arb... |