I. Kündigungsschutzprozess
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 596
Drei Arbeitnehmern der xy-GmbH, die 20 Beschäftigte hat und bei der ein Betriebsrat besteht, ist aus personen-, verhaltens- bzw. betriebsbedingten Gründen gekündigt worden. In einem Fall hat der Betriebsrat der Kündigung widersprochen. Während zwei der Verfahren durch Vergleich beendet werden, wird es im dritten Verfahren erforderlich, Berufung beim LAG einzulegen.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Klageerhebung
Rz. 597
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG ist für Klagen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. Die Kündigungsschutzklage muss beim örtlich zuständigen ArbG schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des ArbG (Rechtsantragsstelle) erhoben werden. Nach § 46 Abs. 2 ArbGG richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den §§ 13 bis 37 ZPO.
Rz. 598
Die Rechtsprechung hat die Fallgruppen "sic non", "aut aut" und "et et" im Hinblick auf die Frage entwickelt, welche Anforderungen an das klägerische Vorbringen zur Begründung der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen in Abgrenzung zu den ordentlichen Gerichten zu stellen sind. In den sic-non-Fällen kann der eingeklagte Anspruch ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden, deren Prüfung gemäß § 2 ArbGG in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fällt. Die für die Rechtswegzuständigkeit maßgebenden Tatsachen sind gleichzeitig die Voraussetzung für die Begründetheit der Klage (sog. doppelrelevante Tatsachen bei einer einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage). In derartigen Fällen eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der klagenden Partei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen. Kommen dagegen für einen Anspruch sowohl arbeitsrechtliche als auch bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht, kann die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht begründen. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen ein Anspruch entweder auf eine arbeitsrechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sich aber gegenseitig ausschließen (sog. aut-aut-Fall). Dazu gehört etwa die Klage auf Zahlung des vereinbarten Entgelts für geleistete Arbeit aus einem Rechtsverhältnis, das der Kläger für ein Arbeitsverhältnis, der Beklagte dagegen für ein – nicht arbeitnehmerähnliches – freies Mitarbeiterverhältnis hält. Weiter gibt es – wenn auch selten – Fälle, in denen ein einheitlicher Anspruch widerspruchslos sowohl auf eine arbeitsrechtliche als auch auf eine nicht arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann (sog. et-et-Fall). In einem sog. "aut-aut-Fall", in dem der Kläger z.B. die Klageforderung aus einem Rechtsverhältnis herleitet, das er für ein Arbeitsverhältnis, die Beklagte dagegen für das Rechtsverhältnis eines weisungsfrei tätigen Handelsvertreters hält, ist ebenso wie in einem sog. "et-et-Fall" für die Beurteilung, ob der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fällt, nicht allein auf das Klägervorbringen abzustellen. Bestreitet die beklagte Partei tatsächliche Umstände, die für die rechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses von Bedeutung sind, hat das zur Entscheidung berufene Gericht die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen gegebenenfalls im Wege der Beweisaufnahme festzustellen.
Rz. 599
Für eine Klage eines GmbH-Geschäftsführers gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrags durch die GmbH scheidet der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen aus. Nur dann, wenn der Rechtsstreit zwischen dem Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Person nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung betrifft, greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht ein. Nach der Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH ist eine weitere Rechtsbeziehung regelmäßig zu verneinen. Mit dem Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrags wird das bisherige Arbeitsverhältnis des angestellten Mitarbeiters im Zweifel aufgehoben. Die wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses setzt jedoch die Einhaltung des Schriftformerfordernisses nach § 623 BGB voraus. Diese wird regelmäßig durch den Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrags gewahrt.
b) Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Rz. 600
Das Kündigungsschutzgesetz ist unanwendbar, wenn der Arbeitnehmer in einem Kleinbetrieb (§ 23 KSch...