Rz. 428

Nach § 17 MuSchG besteht Sonderkündigungsschutz für Frauen[748] während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung. § 17 Abs. 1 MuSchG enthält ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB. Eine Kündigung unter Verstoß gegen dieses Verbot ist gem. § 134 BGB nichtig.[749] Das MuSchG gilt für alle in § 1 Abs. 2 MuSchG genannten Personen. Hierzu gehören auch Auszubildende, weibliche in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen Gleichgestellte, soweit sie am Stück mitarbeiten. Das MuSchG ist auf alle Formen der Teilzeitbeschäftigungen, auf geringfügig Beschäftigte und auf befristete Arbeitsverhältnisse ebenso wie auf Aushilfs-, Probe- und nebenberuflich geführte Arbeitsverhältnisse anwendbar. Das Kündigungsverbot gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuSchG gilt auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme.[750] Der Mutterschutz greift mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages ein, der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme ist nicht maßgeblich.[751] Im Fall einer Schwangerschaft aufgrund einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das Kündigungsverbot des § 17 MuSchG ab dem Zeitpunkt der Einsetzung einer befruchteten Eizelle in die Gebärmutter (Embryonentransfer).[752] Nach § 17 MuSchG ist die Kündigung dann unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war. Es reicht auch die zufällige Information durch Arbeitskollegen aus. Hat der Arbeitgeber keine Kenntnis, muss die Arbeitnehmerin ihm ihre Schwangerschaft bzw. Entbindung mündlich, schriftlich oder durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung anzeigen. Nach § 17 MuSchG besteht nur eine Mitteilungspflicht. Der Nachweis braucht erst innerhalb einer angemessenen Frist oder nach Aufforderung des Arbeitgebers erbracht zu werden. Eine Versäumung der Mitteilungsfrist ist unschädlich, wenn das Versäumnis auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Regelmäßig ist ein Zeitraum von einer Woche noch als ausreichend für ein unverzügliches Nachholen der Mitteilung von der Schwangerschaft anzusehen.[753] Nach § 17 MuSchG ist jede Kündigung unzulässig. Dies gilt für ordentliche, außerordentliche Beendigungs- und Änderungskündigungen sowie eine Kündigung während eines Probearbeitsverhältnisses und im Insolvenzverfahren. Eine anderweitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Befristung, Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung ist zulässig. Eine Kündigung gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin unter Verstoß gegen das Kündigungsverbot des § 17 MuSchG erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 AGG.[754] Eine außerhalb des Geltungsbereichs des KSchG ausgesprochene Kündigung ist gem. § 134 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG nichtig, wenn sie wegen der – beabsichtigten – Durchführung einer In-vitro-Fertilisation und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wird.[755]

 

Rz. 429

Der EuGH weitet den Schutz von Schwangeren auf Organe von Kapitalgesellschaften aus.[756]

 

Rz. 430

Ausnahmen vom Kündigungsschutz bestehen für Frauen im Familienhaushalt und in den Fällen, in denen die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklärt (§ 17 Abs. 2 MuSchG). Gem. § 17 Abs. 2 MuSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Schwangeren in besonderen Fällen ausnahmsweise für zulässig zu erklären. Der Begriff des besonderen Falles unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung, wobei zu beachten ist, dass auch beim Vorliegen eines besonderen Falles der Kündigung nur ausnahmsweise zuzustimmen ist. Diesen strengen Anforderungen liegt die Überlegung zu Grunde, dass im Interesse der Gesundheit von Mutter und Kind es möglichst zu vermeiden ist, eine Schwangere den besonderen Belastungen auszusetzen, die unweigerlich mit einer Kündigung verbunden sind. Der Kündigung ist deshalb nur dann zuzustimmen, wenn die Interessen des Arbeitgebers diejenigen der Schwangeren überwiegen.[757] Eine unzumutbare Belastung des Arbeitgebers ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn der Betriebsteil, in dem die Schwangere beschäftigt ist, ganz wegfällt oder wenn der Arbeitgeber aufgrund der Weiterbeschäftigung der Schwangeren in die Nähe der Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz rückt.[758] In Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sind die Gewerbeaufsichtsämter, in Hessen und Nordrhein-Westfalen die Regierungspräsidenten, in Berlin und Thüringen das Landesamt bzw. das Amt für Arbeitsschutz, in Hamburg die Behörde für Arbeit, in Rheinland-Pfalz das Landesamt für Gewerbeaufsicht und im Saarland das Ministerium für Arbeit zuständig. Die Zulässigkeitserklärung muss bereits zum Zeitpunkt des Ausspru...

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