aa) Inhalt
Rz. 297
Der Inhalt der Abmahnung wird von seinem Zweck, der Rüge- und Warnfunktion, bestimmt: Der Sachverhalt des Pflichtverstoßes muss konkret und präzise angegeben werden (im Musterschreiben SV). Das Verhalten des Arbeitnehmers muss als nicht vertragsgemäß gerügt werden (Rügefunktion, im Musterschreiben RF). Für den Wiederholungsfall müssen arbeitsrechtliche Maßnahmen angedroht werden; es muss nicht notwendig ausdrücklich eine Kündigung sein (Warnfunktion, im Musterschreiben mit WF gekennzeichnet).
Rz. 298
Eine Wiederholung der Abmahnung kann geboten sein, wenn der weitere Pflichtverstoß nicht genau auf der Ebene des früheren liegt oder eine Abmahnung durch Zeitablauf an Wirkung verloren hat. Das BAG hat aber bei gleichartigen Wiederholungsfällen, gleichartigen Pflichtverletzungen, die einen inneren Bezug zu der der Kündigung zugrunde liegenden negativen Zukunftseinschätzung haben, die erneute Abmahnung für entbehrlich gehalten, z.B. bei ständiger Unpünktlichkeit und Verstößen gegen die Anzeigepflicht der Arbeitsunfähigkeit als Ausdruck einer "spezifischen Unzuverlässigkeit".
Umgekehrt kann durch die nicht notwendige Wiederholung von Abmahnungen deren Ernsthaftigkeit in Frage gestellt werden und die Warnfunktion für die Kündigung verloren gehen. Abmahnungen können ihre Warnfunktion einbüßen, wenn der Arbeitgeber trotz ständig neuer Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers weiterhin nur abmahnt.
Regelmäßig liegt im Ausspruch einer Abmahnung der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Treten weitere Gründe zu den abgemahnten hinzu oder werden sie erst nach Ausspruch der Abmahnung bekannt, sind diese vom Kündigungsverzicht nicht erfasst. Der Arbeitgeber kann sie zur Begründung einer Kündigung heranziehen und dabei auf die schon abgemahnten Gründe unterstützend zurückgreifen.
bb) Form
Rz. 299
Eine bestimmte Form, insbesondere die Schriftform, ist für die Wirksamkeit der Abmahnung nicht erforderlich; sie kann auch mündlich erteilt werden. Wegen der Beweisfunktion in einem späteren Kündigungsrechtsstreit ist die Schriftform aber dringend anzuraten. Das gilt auch für den Nachweis, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer zugegangen und darüber hinaus zu seiner Kenntnis gelangt ist.
Rz. 300
Die Abmahnung, die nach der herrschenden Meinung als rechtsgeschäftsähnliche Willenserklärung angesehen wird, kann rechtswirksam nicht nur vom Arbeitgeber oder rechtsgeschäftlichen Vertreter erteilt werden, sondern auch von weisungsbefugten Dienstvorgesetzten.
Auch eine Kündigung, die aus formalen Gründen gescheitert ist, aber einen abmahnfähigen Sachverhalt zum Gegenstand hat, kann als wirksame Abmahnung gelten, weil die Rüge- und Warnfunktion erfüllt ist. Dasselbe gilt für eine aus formellen Gründen unwirksame Abmahnung, wenn ihre inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Rz. 301
Dringend abzuraten ist von einer "Sammelabmahnung", in der mehrere Abmahnsachverhalte zusammengefasst werden. Erweist sich einer der Vorwürfe als unbegründet, muss auf Verlangen des Arbeitnehmers die gesamte Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden. Der Arbeitgeber kann aber nach der Rechtsprechung des BAG wegen der begründeten Vorwürfe erneut eine Abmahnung aussprechen. Die einzelnen Pflichtverstöße sollten in gesonderten Schreiben abgemahnt werden.
Rz. 302
Die Abmahnung bedarf nach herrschender Auffassung weder der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers noch des Betriebsrats. Besonderheiten gelten bei Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes; die Rechtslage in den einzelnen Bundesländern richtet sich nach dem jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetz. Entsprechend besteht die Verpflichtung des kirchlichen Arbeitgebers nach § 12 Abs. 3 KAVO, den Beschäftigten vor dem Ausspruch einer Abmahnung zu dem ihm vorgeworfenen Pflichtverstoß anzuhören. Fehlt es an einer solchen Anhörung, ist der Ausspruch der Abmahnung aus formalen Gründen unwirksam.