Rz. 790
Nach § 76 Abs. 1 BetrVG ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden.
Nach § 76 Abs. 5 BetrVG wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig in den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt (sog. erzwingbares Einigungsstellenverfahren). Hiervon zu unterscheiden ist das sog. freiwillige Einigungsstellenverfahren, § 76 Abs. 6 BetrVG. Hier wird die Einigungsstelle außerhalb des Bereiches der erzwingbaren Mitbestimmung tätig, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat dies beantragt haben oder mit dem Tätigwerden der Einigungsstelle einverstanden sind.
Rz. 791
Erzwingbar ist das Einigungsstellenverfahren in folgenden Fällen:
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Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Mitglieder des Betriebsrats (§ 37 Abs. 6 und 7 BetrVG); |
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Freistellung von Mitgliedern des Betriebsrats (§ 38 Abs. 2 BetrVG); |
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Zeit und Ort der Sprechstunden des Betriebsrats (§ 39 Abs. 1 BetrVG); |
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Herabsetzung der Zahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats (§ 47 Abs. 6 BetrVG); |
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Herabsetzung der Zahl der Mitglieder des Konzernbetriebsrats (§ 55 Abs. 4 BetrVG); |
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Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 65 Abs. 1 BetrVG); |
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Zeit und Ort der Sprechstunden der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 69 BetrVG); |
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Herabsetzung der Mitgliederzahl der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 72 Abs. 6 BetrVG); |
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Berechtigung der Beschwerde eines Arbeitnehmers (§ 85 Abs. 2 BetrVG); |
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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs. 2 BetrVG); |
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Maßnahmen bei Änderung von Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§ 91 S. 2 BetrVG); |
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Mitbestimmung bei Personalfragebögen, persönlichen Angaben in Formulararbeitsverträgen und bei Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze (§ 94 Abs. 1 und 2 BetrVG); |
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Mitbestimmung bei Auswahlrichtlinien (§ 95 Abs. 1 und 2 BetrVG); |
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Mitbestimmung bei Durchführung und Teilnehmerauswahl von betrieblichen Bildungsmaßnahmen (§ 98 Abs. 4 BetrVG); |
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Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten (§ 109 BetrVG); |
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Aufstellung eines Sozialplans (§ 112 Abs. 4 BetrVG); |
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Seebetriebsrat (§ 116 Abs. 3 Nr. 2, 4, 8 BetrVG) und |
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Bestellung und Abberufung der Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie Erweiterung oder Einschränkung ihres Aufgabenbereichs (§ 9 Abs. 3 ASiG). |
Rz. 792
Dieser Katalog kann durch Tarifvertrag erweitert werden. Der Spruch der freiwilligen Einigungsstelle ersetzt § 76 Abs. 6 S. 2 BetrVG über die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im Voraus unterworfen oder diesen nachträglich angenommen haben.
Rz. 793
Nach § 76 Abs. 2 BetrVG besteht die Einigungsstelle aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, wird dieser auf Antrag durch den Vorsitzenden der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Kammer des örtlich zuständigen ArbG bestellt (vgl. § 98 Abs. 1 ArbGG). Das ArbG entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer herbeigeführt wird.
Üblicherweise haben Einigungsstellen mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad jeweils zwei Beisitzer für Arbeitgeber und Betriebsrat. Vorsitzender und Beisitzer der Einigungsstelle sind an Aufträge oder Weisungen nicht gebunden. Aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat folgt, dass die Betriebsparteien keine Personen zu Einigungsstellenbeisitzern benennen dürfen, die offensichtlich ungeeignet sind, über die der Einigungsstelle obliegende Materie zu entscheiden. Maßstab ist die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Einigungsstelle.
Rz. 794
Oft ist es üblich, Ort und Zeit einer Sitzung der Einigungsstelle zwischen den Mitgliedern abzusprechen. Kommt es zu keiner Absprache, hat der Vorsitzende für die ordnungsgemäße Einladung der Beisitzer zu sorgen. Im Termin prüft die Einigungsstelle als erstes die Frage ihrer Zuständigkeit. Die Vertretung durch Verbandsvertreter oder Rechtsanwälte ist zulässig. Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Gem. § 76 Abs. 3 BetrVG fasst die Einigungsstelle ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten. Kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil.
Rz. 795
Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen. Sie sind vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten. Die Unterzeichnung eines Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitzenden der E...