1. Typischer Sachverhalt
Rz. 639
Der Arbeitnehmer sucht den Anwalt auf und legt ihm ein Zeugnis vor, das er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten hat. Es enthält nach seiner Auffassung Unvollständigkeiten bei der Tätigkeitsbeschreibung, eine hinter der Qualität seiner Arbeit zurückbleibende, nur durchschnittliche Leistungsbeurteilung sowie eine negative Führungsbeurteilung. Er bittet um Rat, ob und wie er seinen Anspruch auf ein vollständiges, leistungs- und führungsgerechtes Zeugnis geltend machen kann.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Zeugnisberichtigungsanspruch des Arbeitnehmers
aa) Grundlagen
Rz. 640
Entspricht das Zeugnis nicht den formellen oder materiellen Anforderungen, hat der Arbeitnehmer nach herrschender Meinung einen Anspruch auf Berichtigung, der überwiegend als Erfüllungsanspruch beurteilt wird.
Besteht der Anspruch, ist der Arbeitgeber zur Neuerteilung des Zeugnisses verpflichtet, eine Korrektur reicht nicht aus.
Rz. 641
Für Beanstandungen des Zeugnisinhaltes gilt:
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Der Anspruch besteht, wenn das Zeugnis unvollständig oder unrichtig ist und/oder gegen die Zeugnisgrundsätze des BAG verstößt oder von einem Zwischenzeugnis oder zunächst erteilten Endzeugnissen abweicht, dies gilt insbesondere auch für die Führungs- und Leistungsbeurteilung. |
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Der Berichtigungsanspruch besteht aber nur unter Berücksichtigung des dem Arbeitgeber zustehenden pflichtgemäßen Ermessens- und Beurteilungsspielraumes. |
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Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass im Wege der Berichtigung lediglich seine eigenen Formulierungen gebraucht werden, wenn das Zeugnis im Übrigen inhaltlich nicht beanstandet werden kann. |
bb) Frist, Verwirkung
Rz. 642
Eine gesetzliche Geltendmachungsfrist gibt es nicht. Der Zeugnisberichtigungsanspruch unterliegt aber den arbeitsvertraglichen und tariflichen Ausschlussfristen.
Der Berichtigungsanspruch kann als Erfüllungsanspruch auf Erteilung eines ordnungsgemäßen Zeugnisses verwirkt werden. Das BAG hält für das Zeitmoment einen Ablauf von zehn bzw. fünf Monaten für ausreichend, es wird auf die tariflichen Ausschlussfristen verwiesen und den Anspruch auf zeitnahe Erteilung des Zeugnisses nach Ende des Arbeitsverhältnisses. Für das Umstandsmoment gelten die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere das Verhalten des Arbeitnehmers nach Zugang des Zeugnisses. Die Erhebung der Kündigungsschutzklage hindert die Verwirkung nicht, wenn der Kündigungsgrund als Beendigungsmodalität im Zeugnis beanstandet wird.
Für die Praxis ist davon auszugehen, dass die Verwirkung des Berichtigungsanspruches alsbald nach seiner Fälligkeit droht, empfohlen wird die Geltendmachung innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Zeugnisses.
b) Zeugnisberichtigungsklage
aa) Antrag
Rz. 643
Verlangt ein Arbeitnehmer nicht nur ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis, sondern außerdem auch einen bestimmten Zeugnisinhalt, so hat er im Klageantrag genau zu bezeichnen, was das Zeugnis in welcher Form enthalten soll. Denn nur wenn der Entscheidungsausspruch bereits eine hinreichend klare Zeugnisformulierung enthält, wird verhindert, dass sich der Streit über den Inhalt des Zeugnisses vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Im Klageantrag muss im Einzelnen angegeben werden, auf welche formellen oder inhaltlichen Mängel sich der Berichtigungsanspruch richtet. Ferner ist durch ersatzweise Formulierungen anzugeben, in welcher Form das Zeugnis geändert werden soll, ggf. ist das Zeugnis vollständig neu zu formulieren, allerdings nur soweit der Berichtigungsanspruch reicht, nicht um eigene Formulierungen des Arbeitnehmers durchzusetzen.
Zu empfehlen ist bei umfangreicheren Berichtigungsanträgen ein Hauptantrag, der ein vollständig neu gefasstes Zeugnis zum Gegenstand hat, und ein Hilfsantrag, der jeweils nur zu den einzelnen Beanstandungen die Neuformulierungen enthält.
bb) Zeugnisformulierung durch die Arbeitsgerichte
Rz. 644
Die Arbeitsgerichte sind bei Begründung der Klage berechtigt und verpflichtet, die ihnen zutreffend erscheinende Zeugnisformulierung selbst zu wählen und in einem Urteil auszusprechen. Erforderlichenfalls kann das gesamte Zeugnis neu formuliert werden, da das Zeugnis ein einheitliches Ganzes ist und seine Teile nicht ohne Gefahr der Sinnentstellung auseinander gerissen werden dürfen.