Rz. 400
Der Betriebsrat hat bei Kündigungen zahlreiche Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, denen auf Seiten des Arbeitgebers entsprechende Pflichten gegenüberstehen.
Nach § 102 Abs. 1 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Kündigung hören. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei zu beachten, dass die Rechtsprechung streng danach unterscheidet, ob der Betriebsrat zu einer Tatkündigung oder zu einer Verdachtskündigung angehört worden ist. Hört der Arbeitgeber den Betriebsrat zu einer Tatkündigung an, stützt er aber im folgenden Kündigungsschutzprozess die Kündigung auf Umstände, die eine Verdachtskündigung begründen, so ist diese Verdachtskündigung wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats rechtsunwirksam.
Rz. 401
Kommen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mündlich überein, dass zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Kündigung seitens des Arbeitgebers ausgesprochen und einen Abwicklungsvertrag beschlossen werden soll, ist die Kündigung kein Scheingeschäft. Der Betriebsrat ist zu ihr nach § 102 BetrVG anzuhören.
Im Einzelnen sind folgende Stufen zu unterscheiden:
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die Anhörung des Betriebsrats vor einer Kündigung |
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die Stellungnahme des Betriebsrats zur Anhörung |
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der Widerspruch des Betriebsrats gegen eine beabsichtigte Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG |
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der Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers trotz Kündigung |
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die Entbindung des Arbeitgebers von seiner Weiterbeschäftigungspflicht |
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das Widerspruchsrecht des Betriebsrats gegen eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG |
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die Möglichkeit, in Betriebsvereinbarungen die Zustimmungsbedürftigkeit von Kündigungen festzulegen |
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das Recht des Betriebsrats, in Versetzungsfällen mitzubestimmen. |
Rz. 402
Eine Kündigung ist nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausführlich genug nachgekommen ist. Die Beteiligung des Betriebsrats dient in erster Linie dem Zweck, ihm die Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen und in geeigneten Fällen beizutragen, dass es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Um diesen Zweck zu erreichen, muss der Inhalt der Mitteilung so bemessen sein, dass sich der Betriebsrat über den Kündigungssachverhalt ein Bild machen kann. Nur so wird er in die Lage versetzt, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers sachgerecht vorzubringen. Der Umfang der Mitteilung wird durch den vom BAG entwickelten Grundsatz der subjektiven Determinierung geprägt. Der Arbeitgeber ist danach nur verpflichtet, dem Betriebsrat die Kündigungsgründe mitzuteilen, auf die er seine Kündigung stützen will. Der Betriebsrat ist bereits dann ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat lediglich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung angehört, schließt dies die Anerkennung einer nachgewiesenen Pflichtwidrigkeit als Kündigungsgrund dann nicht aus, wenn dem Betriebsrat alle Tatsachen mitgeteilt worden sind, die – ggf. auch im Rahmen eines zulässigen Nachschiebens von Kündigungsgründen – nicht nur den Verdacht, sondern den Tatvorwurf selbst begründen.
Rz. 403
Eine bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe ist wie eine Nichtinformation des Betriebsrats zu behandeln. Sie kann nicht nur in der Aufbereitung der mitgeteilten Tatsachen, sondern auch in der Weglassung gegen die Kündigung sprechender, den Arbeitnehmer entlastender Information bestehen und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung entsprechend § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG, wenn die bewusst irreführend dargestellten bzw. weggelassenen Tatsachen nicht nur eine unzutreffende Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhaltes bewirken. Der Arbeitgeber verletzt durch eine derartige Darstellung nicht nur die im Anhörungsverfahren geltende Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nach §§ 2 Abs. 1, 74 BetrVG, sondern er setzt den Betriebsrat auch außer Stande, sich ein zutreffendes Bild von den Gründen für die Kündigung zu machen. Die bewusst unvollständige Information ist nicht mit dem Grundsatz der subjektiven Determinierung zu rechtfertigen. Sind dem Arbeitgeber daher für den Arbeitnehmer sprechende Tatsachen bekannt, muss er diese dem Betriebsrat mitteilen. In diesem Zusammenhang hat das BAG entschieden, dass gegen die Glaubwürdigkeit von Belastungszeugen sprechende Umstände dem Betriebsrat mitzuteilen sind. Weiterhin hat das BAG in diesem Zusammenhang Entscheidungen getroffen, dass der Arbeitgeber im Rahmen des Anhörungsverfahrens dem Betriebsrat beim Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung auch vom zu kündigenden Arbeitnehmer verfasste Gegendarstellungen zu erteilten Abmahnungen des Arbeitgeber...