1. Typischer Sachverhalt
Rz. 517
Der Geschäftsführer der xy-GmbH sucht den Anwalt auf, um sich wegen der Erstellung eines Zeugnisses für einen ausscheidenden Angestellten beraten zu lassen. Da der Mitarbeiter zwar schon freigestellt, das Arbeitsverhältnis aber rechtlich noch nicht beendet sei, müsse sowohl ein Zwischenzeugnis als auch ein endgültiges Zeugnis erteilt werden. Er möchte auch für künftige Fälle ein Standardzeugnismuster.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Anspruchsgrundlage, Berechtigung
Rz. 518
Die Pflicht zur Zeugniserteilung ist gesetzlich wie folgt geregelt:
Ergänzend sind tarifvertragliche Regelungen wie z.B. in § 35 TVöD und ggf. Betriebsvereinbarungen in Form von Beurteilungsrichtlinien gem. § 94 Abs. 2 BetrVG zu beachten.
Rz. 519
Das Zeugnisrecht wird über die ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen hinaus für arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, Firmenvertreter nach § 92a HGB, sog. kleine Handelsvertreter nach § 84 Abs. 2 HGB und Organvertreter wie Geschäftsführer von Gesellschaften, soweit sie nicht zugleich Gesellschafter sind, anerkannt.
Rz. 520
Der Zeugnisanspruch setzt nach der herrschenden Meinung grundsätzlich nicht voraus, dass das Arbeitsverhältnis längere Zeit bestanden hat, ungeachtet der Formulierung in § 630 BGB "eines dauernden Dienstverhältnisses". Bei sehr kurzfristiger Beschäftigung wird sich die Zeugnispflicht allerdings aus der Natur der Sache auf ein einfaches Zeugnis beschränken, weil eine Leistungs- und Führungsbeurteilung nach so kurzer Zeit nicht möglich ist.
b) Zeugnisarten
Rz. 521
In den gesetzlichen Regelungen wird zwischen dem sog. einfachen Zeugnis über Art und Dauer der Beschäftigung und dem sog. qualifizierten Zeugnis, das darüber hinaus eine Leistungs- und Führungsbeurteilung enthält, unterschieden. Die Erteilung des jeweiligen Zeugnisses erfolgt nur auf Verlangen des Arbeitnehmers.
Rz. 522
Nach dem Zeitpunkt der Zeugniserteilung unterscheidet man zwischen dem Endzeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dem vorläufigen Zeugnis vor dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses, z.B. nach Kündigung, und dem Zwischenzeugnis während des Arbeitsverhältnisses.
Das Endzeugnis ist der im Gesetz geregelte Standardfall (§ 630 BGB, § 109 GewO). Das vorläufige Zeugnis mit dem Inhalt des Endzeugnisses kann nach der herrschenden Auffassung schon gefordert werden, wenn nach dem Ausspruch einer Kündigung, dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder aufgrund der Befristung eines Arbeitsverhältnisses dessen Beendigung feststeht. Als Zeitpunkt für die Entstehung des Zeugnisanspruches wird dabei teilweise der Beginn der regelmäßigen Kündigungsfrist angenommen, auch hypothetisch für den Befristungsfall.
Der Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses während des Arbeitsverhältnisses resultiert aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gem. § 242 BGB. Voraussetzung ist ein berechtigtes Interesse, wie z.B. bei in Aussicht gestellter Kündigung, Versetzung, Wechsel des Vorgesetzten, Betriebsinhaberwechsel i.S.v. § 613a BGB, Insolvenz, längere Arbeitsunterbrechung, z.B. Erziehungsurlaub oder Wehrdienst, sowie bei Bedarf zur Vorlage bei Behörden, Gerichten usw. Inhalt und Umfang des Zwischenzeugnisses richtet sich jeweils nach dem berechtigten Interesse im Einzelfall.
c) Zeugnisinhalt
Rz. 523
Der notwendige Inhalt eines qualifizierten Zeugnisses gliedert sich wie folgt:
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Überschrift wie Zeugnis, Arbeitszeugnis, Dienstzeugnis, Ausbildungszeugnis, Praktikantenzeugnis, Vorläufiges Zeugnis, Zwischenzeugnis. |
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Eingangssatz (im Muster ES), bestehend aus:
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Titel, Vorname, Nachname (Geburtsname), Geburtsdatum, Geburtsort, |
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Tätigkeitsbezeichnung(en) |
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Dauer des Arbeitsverhältnisses. Maßgebend ist die rechtliche Dauer. Unterbrechungen durch Urlaub, Elternzeit, Krankheit sind zu berücksichtigen, wenn die Zeiten erheblich sind und die Beurteilungsgrundlage beeinflussen. |
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Positions- und Aufgabenbeschreibung (im Muster TB), unterteilt nach:
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hierarchischer Position, Einordnung in die Führungsstruktur |
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Aufgaben bezogen auf das Unternehmen, die Branche, Verantwortung, Vollmachten, Prokura. |
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Die Art der Tätigkeit ist so genau und vollständig zu beschreiben, dass sich ein Dritter hierüber ein Bild machen kann. |
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Leistungs- und Erfolgsbeurteilung nach folgenden beispielhaften Kriteri... |