Rz. 95

Aus arbeitsrechtlicher Sicht stehen insbesondere solche Matrixstrukturen zur Diskussion, die sich im Konzern über Unternehmensgrenzen hinweg erstrecken. Unter Matrixstrukturen sind Organisationsformen zu verstehen, die nach Funktionen (z.B. Entwicklung, Marketing, Sales, HR), Produkten und Regionen gegliedert sind.[136] Die hieraus entstehenden Einheiten werden von einem Matrixmanager gesteuert, der seinerseits ohne Rücksicht auf gesellschaftsrechtliche Strukturen gegenüber den in der Matrixzelle organisierten Arbeitnehmern – i.d.R. diverser Vertragsarbeitgeber – Weisungen erteilt. Sogenannte Matrixklauseln liefern hierfür die arbeitsvertragliche Grundlage:

 

Rz. 96

Auch bei der Arbeitsvertragsgestaltung sind Matrixstrukturen Aufgabe und Herausforderung zugleich:

[136] Z.B. Maschmann, NZA 2017, 1557, 1557.

a) Musterklausel

 

Rz. 97

Muster 4.12: Matrixklausel

 

Muster 4.12: Matrixklausel

Der Arbeitgeber ist dazu berechtigt, den Arbeitnehmer jederzeit ohne Verschlechterung seiner vertraglichen Vergütung und ohne Veränderung des tatsächlichen Arbeitsorts in einer unternehmensübergreifenden Arbeitsorganisation (zum Beispiel einer Matrixstruktur) einzusetzen, in der das fachliche Weisungsrecht nicht vom Arbeitgeber ausgeübt wird, sofern die Tätigkeit jedenfalls gleichwertig ist und den Fähigkeiten und Qualifikationen des Arbeitnehmers entspricht; das disziplinarische Weisungsrecht verbleibt in diesen Fällen stets beim Arbeitgeber.[137]

[137] Muster gemäß Neufeld/Michels, KSzW 2012, 49, 55.

b) Grundlagen

 

Rz. 98

Matrixstrukturen setzen eine (partielle) Übertragung des Weisungsrechts gemäß § 106 GewO voraus. Nur so wird der Matrixmanager in die Lage versetzt, die Arbeitsleitung innerhalb der Matrixzelle rechtlich verbindlich zu steuern. Hierfür erteilt der Vertragsarbeitgeber dem Matrixmanager im Regelfall eine Ausübungsermächtigung.[138] Diese ermöglicht es dem Matrixmanager, in eigenem Namen (bzw. im Namen der leitenden Matrixgesellschaft) Weisungen zu erteilen. Alternative Gestaltungsmöglichkeiten etwa über das Stellvertretungsrecht sind zwar denkbar, in der Praxis aber kaum handhabbar. Denn dann müsste der Matrixmanager seine Weisungen jeweils im Namen des Vertragsarbeitgebers erteilen.[139] Da in der Matrixzelle i.d.R. Arbeitnehmer mehrerer Vertragsarbeitgeber organisiert sind, dürfte das kaum umsetzbar sein. Im Wege der Ausübungsermächtigung übertragen wird im Normalfall nur das fachliche Weisungsrecht; das disziplinarische Weisungsrecht übt weiterhin der Vertragsarbeitgeber aus.[140]

 

Rz. 99

Gemäß § 613 S. 2 BGB ist der "Anspruch auf die Dienste" im Arbeitsverhältnis aber im Zweifel nicht übertragbar. Erteilt der Matrixmanager in eigenem bzw. im Namen der leitenden Matrixgesellschaft Weisungen, tritt er als Empfänger der weisungsgebundenen, fremdbestimmten Arbeitsleistung auf. Vor diesem Hintergrund wird aus § 613 S. 2 BGB abgeleitet, dass es der Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf, wenn dieser den Weisungen des unternehmensfremden Matrixmanagers unterstellt werden soll. Zwar lässt sich mit guten Argumenten vertreten, dass es zumindest bei der partiellen Übertragung des fachlichen Weisungsrechts keiner Zustimmung bedarf.[141] Will man dieser Diskussion aber von vorne herein die Grundlage nehmen, empfiehlt es sich, bereits im Arbeitsvertrag durch eine Matrixklausel die "Zweifel" an der Übertragbarkeit der Dienste gemäß § 613 S. 2 BGB auszuräumen.[142] Das schützt zugleich vor der Argumentation des Arbeitnehmers (z.B. im Trennungsszenario), es sei durch die Weisungen des Matrixmanagers neben dem Arbeitsverhältnis mit dem Vertragsarbeitgeber konkludent ein weiteres Arbeitsverhältnis mit der Matrixgesellschaft des Matrixmanagers begründet worden.[143] Nachteil einer Matrixklausel kann aus Arbeitgebersicht aber sein, dass – in Parallele zur Rechtsprechung zu Konzernversetzungsklauseln – im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen auch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in anderen Konzerngesellschaften angeboten werden müssen, sofern der Vertragsarbeitgeber insoweit Einfluss nehmen kann.[144] Letzteres stellt den Mehrwert von Matrixklauseln aus Arbeitgebersicht erheblich infrage, auch wenn die Problematik streng genommen auch ohne Matrixklausel besteht.[145]

[138] Zur Grundlage von Ausübungsermächtigungen s. Mahnhold, Compliance und Arbeitsrecht, 2004, S. 305.
[139] Maschmann, NZA 2017, 1557, 1558.
[140] Neufeld/Michels, KSzW 2012, 49, 52 ff.; Kort, NZA 2013, 1318, 1320.
[141] Neufeld/Michels, KSzW 2012, 49, 52 ff.; Kort, NZA 2013, 1318, 1320; Mahnhold, Compliance und Arbeitsrecht, 2004, S. 305.
[142] Maschmann, NZA 2017, 1557, 1558; Neufeld/Michels, KSzW 2012, 49, 52 ff.; Kort, NZA 2013, 1318, 1320.
[143] Das Risiko eines solchen konkludenten Arbeitsverhältnisses dürfte aber auch ohne Matrixklausel überschaubar sein, s. insoweit Neufeld/Michels, KSzW 2012, 49, 54.
[144] Neufeld/Michels, KSzW 2012, 49, 52 ff.; s. insoweit zum konzerndimensionalen Kündigungsschutz Temming, RdA 2018, 84, 85 ff.
[145] Siehe insoweit Bauer/Herzberg, NZA 2011, 713, 716 f.

c) Hinweise zur Vertragsgestaltung

 

Rz. 100

Matrix...

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