Rz. 65
Nach Vorlage der (vollständigen und mangelfreien) Unterlagen gemäß § 650p Abs. 2 BGB (vorstehende Rdn 27 ff. – d.h. der vollständigen Vorlage der [mangelfreien oder objektiv mangelhaften] Planungsgrundlage und der Kostenschätzung zur Zustimmung, mit Abschluss der Zielfindungsphase) kann der Besteller – unabhängig davon, ob er Verbraucher (§ 13 BGB) oder Unternehmer (§ 14 BGB) ist (vorstehende Rdn 64) – nach § 650r Abs. 1 S. 1 BGB den Vertrag ohne Angabe von Gründen (schriftlich, vgl. § 650h BGB) kündigen. Dadurch erfährt das Kündigungsrecht des Bestellers eine Aufwertung. Die Norm zielt darauf ab, den Besteller vor den Folgen eines übereilt (d.h. in Unkenntnis von Aufwand und Realisierbarkeit des Bauvorhabens) abgeschlossenen Architekten- und Ingenieurvertrags zu schützen (Übereilungsschutz).
Rz. 66
Das Kündigungsrecht findet seine Grenze nur im Falle eines Rechtsmissbrauchs, der Willkür oder Treuwidrigkeit – weshalb der Besteller selbst dann kündigen kann, "wenn sich die vom Unternehmer vorgeschlagene Planung mit (seinen) ursprünglichen Vorstellungen … deckt".
Rz. 67
Eine Teilkündigung soll (angesichts des Zwecks der Norm, vorstehende Rdn 62) nicht zulässig sein.
Rz. 68
Beachte:
Dammert weist darauf hin, dass der Besteller die Ausübung seines Sonderkündigungsrechts zwar nicht begründen muss – im Falle mangelhafter Unterlagen würde er dadurch aber konkludent die Mangelfreiheit der vorgelegten Unterlagen erklären, weshalb ihn dann die Vergütungspflicht nach § 650r Abs. 3 BGB vollumfänglich treffen würde: "Sind die übergebenen Unterlagen unvollständig oder mangelhaft, sollte daher vom Sonderkündigungsrecht nach § 650r Abs. 1 BGB kein Gebrauch gemacht werden." Vielmehr sollte der Besteller in einem solchen Fall, da die Vorlage Hauptpflicht des Unternehmers ist, den Weg über eine angemessene Nachfristsetzung (Möglichkeit eines Rücktritts nach § 323 BGB bzw. der Kündigung aus "wichtigem Grund" gemäß § 648a BGB) gehen oder nach Beauftragung eines anderen Architekten die entstanden Mehrkosten im Wege eines Schadensersatzanspruchs (Schadensersatz statt der Leistung – §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB bzw. Geltendmachung des Verzugsschadens gemäß § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB) für sich reklamieren.
Rz. 69
Der Besteller "wird durch das Sonderkündigungsrecht so gestellt, als hätte er lediglich einen Vertrag über die Erstellung einer Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung geschlossen".Dammert weist im Übrigen darauf hin, dass die Regelung auch eine adäquate Rechtsfolgenregelung in Bezug auf § 650p BGB für den Fall sei, dass Besteller und Unternehmer sich nicht über die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele – insbesondere nicht über die Kosten der Umsetzung – einigen können: "Würde hieran keine spürbare Rechtsfolge geknüpft, wäre die Regelung des § 650p Abs. 2 BGB lediglich ein “Papiertiger’."