Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
I. Allgemeines
Rz. 12
Bei der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft ist die Testamentsvollstreckung mit besonders vielen unterschiedlichen Aufgabenbereichen denkbar.
Vor- und Nacherbschaft werden bei der testamentarischen Gestaltung aus den verschiedensten Gründen eingesetzt. Als solche Gründe kommen in Betracht:
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Ausschaltung eines gesetzlichen Erben oder Pflichtteilsberechtigten (Geschiedenentestament, Wiederverheiratungsklauseln, gegenseitige Erbeinsetzung von Ehegatten mit verschiedenen Kindern); |
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Erhaltung der Nachlasssubstanz zugunsten eines bestimmten Personenkreises (Abkömmlinge, Ehegatten); |
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zeitlich befristeter Ausschluss des an sich vorgesehenen Erben (Eintritt des Nacherbfalls erst bei Erreichen eines bestimmten Alters des Abkömmlings oder bestandener Prüfung); |
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Vollstreckungsschutz des Nachlasses bei einem überschuldeten Vorerben, § 2115 BGB, z.B. Behindertentestament, Testamente bei überschuldeten Erben; |
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Erbeinsetzung noch nicht erzeugter Personen, §§ 2101 Abs. 1, 1923 BGB; |
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Bindung des Nachlasses für mehrere Generationen (Umgehung der im Erbrecht grundsätzlich geltenden 30 Jahres-Grenze, die nach § 2109 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB nicht gilt, wenn der Nacherbfall mit dem Tode des Vorerben eintreten soll); |
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Einsetzung unter einer Bedingung, um den Erben zu einem bestimmten Verhalten oder Unterlassen zu bewegen. |
II. Erscheinungsformen
Rz. 13
Im Bereich der angeordneten Vor- und Nacherbschaft ist die Gestaltung der Testamentsvollstreckung immer in Abhängigkeit von dem Ziel zu sehen, zu dem die Vor- und Nacherbschaftsregelung letztwillig verfügt wurde. Eingebürgert hat sich die Unterscheidung in fünf Erscheinungsformen.
1. Testamentsvollstreckung mit Normalbefugnissen
Rz. 14
Es handelt sich hierbei um einen Unterfall der allgemeinen Abwicklungsvollstreckung. Der Testamentsvollstrecker nimmt den Nachlass in Besitz, begleicht die Schulden, erfüllt Vermächtnisse und Auflagen sowie die weiteren bestehenden Verpflichtungen und händigt sodann den Nachlass an den Vorerben gem. §§ 2203, 2209 BGB aus.
2. Allgemeine Testamentsvollstreckung (nur) für die Vorerbschaft
Rz. 15
Dogmatisch handelt es sich hier um eine Verwaltungsvollstreckung gemäß § 2209 BGB, zeitlich begrenzt für die Dauer der Vorerbschaft. Durch die angeordnete Testamentsvollstreckung wird der Vorerbe über das gesetzliche Maß der Vorerbschaft hinaus zusätzlich dadurch in seinen Rechten beschränkt, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht ihm, sondern dem Testamentsvollstrecker zusteht. Streitig ist, ob der Testamentsvollstrecker in seinem Verfügungsrecht nur nach § 2205 S. 3 BGB beschränkt ist, oder ob für die Testamentsvollstreckung die gleichen Beschränkungen gelten, wie sie für den Vorerben gesetzlich angeordnet sind, beispielsweise § 2113 BGB.
3. Testamentsvollstreckung (nur) für die Nacherbschaft
Rz. 16
Im Unterschied zur Testamentsvollstreckung für die Vorerbschaft beginnt hier die Testamentsvollstreckung erst mit dem Eintritt der Nacherbschaft. Damit wird der Nacherbe während der Dauer seiner Nacherbschaft in seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beschränkt.
4. Testamentsvollstreckung für Vor- und Nacherbschaft
Rz. 17
Hier ist der Testamentsvollstrecker nicht nur für den Vor- oder den Nacherben tätig, sondern für beide gemeinsam ernannt. Dies hat zur Folge, dass er ab dem Erbfall zunächst für die Dauer der Vorerbschaft das Verwaltungs- und Verfügungsrecht ausübt und anschließend für den Nacherben. Aufgrund seiner Amtsführung sowohl für den Vorerben als auch für den Nacherben ist der Testamentsvollstrecker hier während der Vorerbschaft unstreitig nur nach § 2205 S. 3 BGB in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt, nicht nach den weitergehenden Vorschriften der §§ 2113, 2114 BGB.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Testamentsvollstrecker, während er als Vollstrecker für den Vorerben tätig ist, zugleich auch die Kontroll-, Sicherungs- und Mitwirkungsrechte des Nacherben ausüben kann. Da er in diesem Fall einer Interessenkollision ausgesetzt wäre, wird dies nach h.M. nur dann angenommen werden können, wenn sich ein so weitreichender Erblasserwille aus der testamentarischen Verfügung mit hinreichender Sicherheit entnehmen lässt.
Rz. 18
Als kritisch bei der Testamentsvollstreckung für Vor- und Nacherbschaft erweist sich in der Praxis immer wieder die genaue Beachtung der gesetzlichen Verteilung von Nutzen und Lasten zwischen Vor- und Nacherben. Fehlende Sorgfalt führt hier schnell zu Regressansprüchen.
5. Nacherbentestamentsvollstreckung
Rz. 19
Der Nacherbenvollstrecker nach § 2222 BGB beschränkt nicht den Vorerben in seinen Rechten. Vielmehr nimmt der Testamentsvollstrecker hier die Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben im...