Andre Naumann, Christian Brinkmann
Rz. 237
Ziff. 5.2.6 AUB 08/99
§ 2 IV AUB 94/88
§ 2 (3) b AUB 61 (Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung),
§ 10 (5) AUB 61 (Folgen psychischer und nervöser Störungen nach einem Unfall)
I. Grundsätzliches
Rz. 238
Ziff. 5.2.6 AUB 08/99 schließt krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen aus. Die Formulierung entspricht inhaltlich der Regelung des § 2 IV AUB 94/88
Beide Vorschriften fassen die Ausschlüsse des § 2 (3) b AUB 61 (Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung), § 10 (5) AUB 61 (Folgen psychischer und nervöser Störungen nach einem Unfall) zusammen und gehen inhaltlich erweiternd über sie hinaus.
Die sog. "Psycho-Klausel" soll nicht abschätzbare Risiken vom Versicherungsschutz ausnehmen. Im Sinne einer zuverlässigen Tarifkalkulation können nur objektiv erfassbare Vorgänge berücksichtigt werden, nicht dagegen (subjektive) psychische Reaktionen, da hierdurch jedes Geschehen in der Außenwelt zu einem potentiellen Unfallereignis werden würde. Auch kleinere funktionelle Beeinträchtigungen der Gliedmaßen können unter Umständen zu schweren psychischen Problemen führen.
Rz. 239
Die Ausschlussklausel nach Ziff. 5.2.6 AUB 08/99, § 2 IV AUB 94/88 ist wirksam, da sie nicht unklar ist (vgl. § 5 AGBG, § 305c Abs. 2 BGB) und auch einer Inhaltskontrolle (vgl. § 9 AGBG, § 307 BGB) standhält. Das OLG Jena hat dagegen die Ansicht vertreten, dass der Ausschluss unwirksam sei, wobei es auf dem Weg zum richtigen Prozessergebnis übersah, dass es auf die Frage der Wirksamkeit wegen einer festgestellten organischen Schädigung gar nicht ankam. Die Auffassung einer Unwirksamkeit des Ausschlusses hat sich richtigerweise nicht durchgesetzt.
II. Reichweite des Ausschlusses
Rz. 240
Nach Ziff. 5.2.6 AUB 08/99 entfällt der Versicherungsschutz bei krankhaften Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden. Ausgeschlossen werden damit alle Gesundheitsschäden, bei denen ein adäquater Kausalzusammenhang mit körperlichen Traumata nicht nachweisbar ist oder die krankhaften Störungen des Körpers allein mit ihrer psychogenen Natur (= rein seelisch bedingter Ursachenzusammenhang) erklärbar sind.
1. Rein psychisch vermittelte Gesundheitsschäden
Rz. 241
Für rein psychisch vermittelte Gesundheitsschäden ohne Mitursächlichkeit körperlicher Traumata besteht kein Versicherungsschutz.
Rz. 242
Beispiel Psychisch vermittelter Gesundheitsschaden 1
Der VN erleidet nach Erhalt einer Nachricht über den Tod eines Angehörigen einen Schock. Der Schock löst eine Gehirnblutung aus, die zu einer dauerhaften Gesundheitsschädigung führt.
Beispiel Psychisch vermittelter Gesundheitsschaden 2
Ein Stein zertrümmert die Windschutzscheibe des vom VP gesteuerten Pkw. Die VP erleidet hierdurch einen Schock, der zu einem tödlichen Herzversagen führt.
In diesen Beispielen fehlt es richtigerweise nicht schon an einem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis (psychisch vermittelte Gesundheitsschäden vgl. § 3 Rn 16 f.). Jedoch ist wegen des Ausschlusses von psychischen Reaktionen kein Versicherungsschutz gegeben.
Rz. 243
Wenn psychogene Faktoren dagegen ein Unfallereignis, welches zu einer Gesundheitsschädigung des Körpers führt, erst verursachen, so ist der Ausschluss der psychischen Reaktionen nicht betroffen, da nicht eine psychische Reaktion, sondern das Unfallereignis den Gesundheitsschaden unmittelbar verursacht hat. In Betracht kommt aber in diesen Fällen die Anwendung andere Ausschlussklauseln, wie insbesondere die Bewusstseinsstörung.
Rz. 244
Beispiel Psychische Ursache für Unfall 1
Der VN erleidet nach Erhalt einer Nachricht über den Tod eines Angehörigen einen Schock. Der Schock lässt den VN taumeln, er stürzt und bricht sich den Arm.
Beispiel Psychische Ursache für Unfall 2
Ein Stein zertrümmert die Windschutzscheibe des vom VP gesteuerten Pkw. Die VP erleidet eine Schock, der zu einem Fahrfehler führt. Durch den Fahrfehler kommt es zu einer Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Durch diese Kollision stirbt die VP.
In beiden Fällen besteht Versicherungsschutz, der Ausschluss greift nicht ein.
2. Psychische Reaktion aufgrund organischer Schädigung
Rz. 245
Der Ausschluss greift nicht ein, wenn die psychische Reaktion auf organischen Schädigungen (z.B. Schädigungen des zentralen Nervensystems) beruht, auch wenn im Einzelfall das Ausmaß, in dem sich die organische Ursache auswirkt, von der psychischen Verarbeitung durch die VP abhängt.
Rz. 246
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