Andre Naumann, Christian Brinkmann
Rz. 266
Ziff. 5.2.7 AUB 08/99
§ 2 III (1) AUB 94/88
§ 10 (3) AUB 61
I. Allgemeines
Rz. 267
Bauch- und Unterleibsbrüche (sog. Hernien, vgl. § 6 Rn 69) sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, Ziff. 5.2.7 AUB 08/99, § 2 III (1) AUB 94/88, § 10 (3) AUB 61. Der Grund liegt darin, dass sie zumeist auf einer anlagebedingten (angeborenen) oder krankheitsbedingten Bindegewebsschwäche beruhen und genetische Dispositionen bzw. Erkrankungen in den AUB ausgeschlossen sein sollen. Daraus erklärt sich zugleich die Gegenausnahme in Ziff. 5.2.7 AUB 08/99, § 2 III (1) AUB 94/88, § 10 (3) AUB 61: Versicherungsschutz besteht, wenn der Bruch durch eine unter den Vertrag fallende gewaltsame von außen kommende Einwirkung entstanden ist.
Neben den anlagebedingten Entstehungsformen (innere Ursachen) können im Ausnahmefall Hernien durch von außen kommende gewaltsame Einwirkungen entstehen, also auf einen Unfall zurückzuführen sein. In diesen Fällen ist Versicherungsschutz gegeben.
Rz. 268
Hinweis
Durch den Unfall muss es zu einer Zerreißung gekommen sein, also zur Bildung der Bruchpforte. Treten lediglich inneren Organe durch eine bereits bestehende Bruchpforte aus, ist kein Fall des Wiedereinschlusses gegeben.
II. Direkte Gewalteinwirkung
Rz. 269
Die direkte Gewalteinwirkung kann in scharfe und stumpfe Gewalt eingeteilt werden.
Rz. 270
Relativ unproblematisch ist die Feststellung des Vorliegens scharfer Gewalt. Diese ist dann gegeben, wenn Muskel- oder Bindegewebe durch Schnitt- oder Stichverletzung derart geschädigt wird, dass es zu einer Ausstülpung des Bauchfelles in der Bauchdecke kommt.
Rz. 271
Bei stumpfer Gewalt (Schlag oder Stoß) hingegen fehlt eine Durchtrennung der Gewebestruktur. Hernien als Folge stumpfer Gewalt können nur dann entstehen, wenn Muskel- und Bindegewebestrukturen verletzt werden. Es müssen also sichtbare äußere Verletzungszeichen, wie etwa Prellmarken oder Blutergussbildungen vorhanden sein, um den geforderten Zusammenhang zwischen stumpfer Gewalteinwirkung und sich daraus ergebender Hernie herzustellen.
III. Indirekte Gewalteinwirkung
Rz. 272
Praxisrelevant sind hier vor allem die Fälle des sog. "Verhebetraumas" und "Pressbruches". Hier kommt es zu einem Bruch etwa durch das Anheben, Aufheben, Abstützen, Abwehrens schwerer Gegenstände oder auch durch andauerndes Husten (mit der Folge einer Erhöhung des Bauchinnendrucks).
Rz. 273
Versicherungsschutz ist in diesen Konstellationen regelmäßig nicht gegeben. Es handelt sich um einen physiologischen Bewegungsablauf, der willentlich gesteuert, muskulär geführt und durch Sehnen- und Knochengewebe gehalten wird. Diese Bewegungsform ist bei einem gesunden Menschen nicht geeignet, Gewebestrukturen zu zerreißen und eine Bruchbildung herbeizuführen.
Rz. 274
Zu unterscheiden ist zwischen der Bildung der Bruchpforte (Riss des Bindegewebes) einerseits und dem Austritt innerer Organe andererseits. Die Bildung der Bruchpforte muss durch gewaltsame Einwirkung direkt den Bauch- oder Unterleibsbereich betreffen, während der Austritt innerer Organe im Rahmen natürlicher Abläufe, die zu einer Erhöhung des Bauchinnendrucks führen (Heben schwerer Gegenstände, lang anhaltendes Husten), auch zeitlich folgend geschehen kann.
Rz. 275
Selbst wenn man der differenzierenden Ansicht folgt und eine indirekte Gewalteinwirkung für den Wiedereinschluss ausreichen lassen würde, ist in solchen Fällen der Nachweis einer hierdurch entstandene Bruchpforte kaum zu führen. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die für einen entsprechenden Nachweis erforderlichen Tatsachen zumindest nicht von den Ärzten dokumentiert werden, da für die Behandlung letztlich nicht der Zeitpunkt der Bildung der Bruchpforte von Bedeutung ist, sondern deren Folgen, also das Austreten von inneren Organen durch die Bauchpforte.
IV. Beweisregel
Rz. 276
Für Bauch- und Unterleibsbrüche gilt die übliche Beweisregel, dass der VN den Unfall, der VR den Ausschlusstatbestand beweisen muss. Da die Gesundheitsbeschädigung im Bauch- oder Unterleibsbruch besteht, ist der vom VR zu erbringende Beweis für den Ausschlusstatbestand bereits durch das Vorliegen des Bruchs geführt. Es geht also letztlich immer darum, ob der VN den Wiedereinschluss beweisen kann. Er hat demnach den Beweis zu führen, dass der Bruch auf einer unter den Vertrag fallenden gewaltsamen von außen kommenden Einwirkung beruht. Dieser Beweis ist nicht geführt, wenn keine objektiven Hinweise auf eine traumatische Ein...