Dipl.-Kfm. Michael Scherer
1. Die Berechnung der "üblichen Vergütung" nach dem BGB
Rz. 89
Hinweis:
Nach § 34 Abs. 1 S. 2 RVG erhält der RA, nur wenn keine Vereinbarung über die Ratgebühr getroffen worden ist, Gebühren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um die §§ 315, 316, 612 Abs. 2 und 632 Abs. 2 BGB.
Nach § 612 Abs. 2 BGB ist für anwaltliche Beratungstätigkeiten (Dienstvertrag) für den Fall, dass die Höhe der Gebühr nicht vereinbart wurde, "bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen." Für anwaltliche Gutachten (Werkvertrag) besagt § 632 Abs. 2 BGB das Gleiche.
Nach den §§ 315, 316 BGB bestimmt der RA die Höhe der Gebühr "nach billigem Ermessen" (§ 315 Abs. 1 BGB). Für den Klienten ist nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB die von dem RA getroffene Bestimmung jedoch "nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht", also gerecht ist.
Obwohl die Neufassung des § 34 RVG bereits seit 2006 in Kraft ist, ist bisher keine "übliche Vergütung" für die anwaltliche Beratungstätigkeit erkennbar. Dies zeigt auch der Streit über angeblich standeswidrige, weil zu niedrige Beratungsgebühren (siehe Rdn 84 f.). In Ermangelung einer "üblichen Vergütung" bleibt der RA also auf sich allein gestellt.
Rz. 90
Falls für eine anwaltliche Beratung keine Gebührenvereinbarung getroffen wurde und somit nach § 34 Abs. 1 S. 2 RVG die "übliche Vergütung" nach BGB vorgeschrieben ist, kann mittlerweile nur festgestellt werden, dass für außergerichtliche Anwaltstätigkeiten, also auch für die anwaltliche Beratung, häufig Zeithonorare vereinbart werden. Allerdings lässt sich nicht sagen, in welcher Höhe ein Stundenhonorar "üblich" ist. Ob der RA 60 Euro oder 600 Euro pro Stunde ansetzt, ist wohl auch stark von der "Marktlage" abhängig. Ein mittlerer Wert ist ein Stundensatz von 200 Euro (siehe Rdn 86 f.).
Rz. 91
Sollte später der Richter die vom RA verlangte "übliche Vergütung" gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB überprüfen müssen, so wird er im Einzelfall die Angemessenheit vermutlich auch anhand der Kriterien des § 14 RVG ermitteln. Zwar regelt § 14 RVG eigentlich die Bestimmung von Rahmengebühren (siehe § 2 Rdn 111 f.), jedoch liegt hier ein vergleichbarer Sachverhalt vor – nur ohne Rahmen. Gemäß § 14 RVG bestimmt der RA im Einzelfall die Gebühr nach folgenden Kriterien:
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Berücksichtigung aller Umstände |
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Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit |
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Bedeutung der Angelegenheit (hierzu kann auch der Gegenstandwert gezählt werden) |
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Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers |
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Haftungsrisiko des RA (ist auch wertabhängig) |
Zumindest für Klienten, die Verbraucher sind, ist die Anwendung des § 14 RVG durch § 34 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 RVG vorgeschrieben. Eine konkrete Handlungsanweisung kann Ihnen als Leserinnen und Leser an dieser Stelle allerdings nicht gegeben werden.
Hinweis:
Der Gegenstandswert allein kann nicht ausschlaggebend für die Bestimmung der Höhe der Ratgebühr sein – er kann nur im Rahmen der Bedeutung für den Auftraggeber mit berücksichtigt werden. Dies dürfte nur bei höheren Werten in Betracht kommen.
Es ist deshalb zu empfehlen – wenn keine Gebührenvereinbarung vorliegt – von der aufgewendeten Arbeitszeit des RA auszugehen. Sie können dabei von einem Stundensatz von z. B. 150 – 200 Euro ausgehen.
Gebührensätze sieht das RVG in § 34 ausdrücklich nicht mehr vor. Dies war im früheren Recht so. Dies besagt ein Urteil des AG Siegburg (Urteil vom 04.09.2015 – 105 C 34/15).
Merke:
Falls für eine anwaltliche Beratung keine Gebührenvereinbarung getroffen wurde, wird von dem RA unter Beachtung des § 14 RVG nach billigem Ermessen die Höhe der Beratungsgebühr bestimmt (§ 315 BGB). Bei Beratung von Verbrauchern sind nach § 34 RVG Höchstgebühren zu beachten (siehe nachfolgend).
Hinweis:
Beispiele zur Berechnung der Beratungsgebühr finden Sie im nachfolgenden Kapitel.
2. Die Berechnung der Beratungsgebühr gegenüber Verbrauchern
Rz. 92
Nach § 34 Abs. 1 S. 1 RVG kann der RA auch mit einem Verbraucher (Definition in § 13 BGB) eine Gebührenvereinbarung abschließen. Nur wenn dies nicht geschieht gelten die nachstehenden Erläuterungen. Der RA berechnet dann die "übliche Vergütung" nach dem BGB (siehe Rdn 89 ff.). Dabei hat der RA gegenüber dem Verbraucher die Höchstgebühren nach § 34 Abs. 1 S. 3 RVG zu beachten.
Wenn der RA einen Verbraucher ohne Abschluss einer Gebührenvereinbarung in einer Zivil- oder Strafsache berät, wird nach § 34 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 RVG die Beratungsgebühr auf höchstens 250 Euro nach oben hin begrenzt. Diese Obergrenze betrifft eine jede Beratung von Verbrauchern, also sowohl eine schriftliche Beratung als auch ein zweites oder drittes Beratungsgespräch. Damit sollen unerfahrene Verbraucher davor geschützt werden, für eine anwaltliche Beratung unkalkulierbar hohe Gebühren zahlen zu müssen, was die Verbraucher ansonsten von der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe abschrecken könnte. So kann der Verbraucher davon ausgehen, dass die Beratung durch einen RA auf keinen Fall mehr kosten wird als 250 Euro, selbst wenn in der Angelegenheit mehr als ein Beratu...