Norbert Schneider, Lotte Thiel
Rz. 44
Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV entstanden ist, wird diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens (auch Beweisverfahren oder Mahnverfahren) angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 4 VV).
Rz. 45
Ausdrücklich geregelt ist, dass die Anrechnung nur nach dem Wert des Gegenstands erfolgt, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV).
Rz. 46
Beispiel 41: Anrechnung – Schwellengebühr
Der Anwalt macht außergerichtlich für die Ehefrau eine Forderung auf Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die Sache ist durchschnittlich, aber weder umfangreich noch schwierig. Der Ehemann zahlt nicht. Der Anwalt reicht daraufhin auftragsgemäß einen Antrag beim FamG ein, über den verhandelt wird.
Die Geschäftsgebühr ist mit 1,3 anzusetzen (Anm. zu Nr. 2300 VV). Angerechnet wird diese Gebühr zur Hälfte, also nach einem Gebührensatz von 0,65.
I. |
Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000,00 EUR) |
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
592,80 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
612,80 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
116,43 EUR |
Gesamt |
|
729,23 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren (Wert: 8.000,00 EUR) |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
592,80 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,65 aus 8.000,00 EUR |
|
– 296,40 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
547,20 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
863,60 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
164,08 EUR |
Gesamt |
|
1.027,68 EUR |
Beispiel 42: Anrechnung – Geschäftsgebühr über 1,5
Der Anwalt macht außergerichtlich für die Ehefrau Zugewinnausgleich in Höhe von 80.000,00 EUR geltend. Die Sache ist umfangreich und schwierig, so dass eine 2,0-Gebühr angemessen ist. Der Ehemann zahlt nicht. Der Anwalt reicht daraufhin auftragsgemäß einen Antrag beim FamG ein, über den verhandelt wird.
Liegt die Geschäftsgebühr über 1,5, so greift die Begrenzung der Anrechnung auf höchstens eine 0,75-Gebühr. Faktisch ist damit der über 1,5 hinausgehende Teil der Geschäftsgebühr anrechnungsfrei.
I. |
Außergerichtliche Vertretung (Wert: 80.000,00 EUR) |
1. |
2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
2.666,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
2.686,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
510,34 EUR |
Gesamt |
|
3.196,34 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren (Wert: 80.000,00 EUR) |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
1.732,90 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,75 aus 80.000,00 EUR |
|
– 999,75 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
1.599,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
2.352,75 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
447,02 EUR |
Gesamt |
|
2.799,77 EUR |
Rz. 47
Hat die nachfolgende Angelegenheit einen geringeren Wert, etwa weil der Antragsteller sich aus Kostengründen auf einen geringeren Betrag beschränkt oder weil vorgerichtlich bereits teilweise erfüllt ist, dann ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV nur aus dem geringeren Wert anzurechnen.
Beispiel 43: Anrechnung geringerer Wert im gerichtlichen Verfahren
Der Anwalt macht außergerichtlich für die Ehefrau eine Forderung auf Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die Sache war weder schwierig noch umfangreich. Der Ehemann zahlt 4.000,00 EUR. Der Anwalt reicht daraufhin auftragsgemäß einen Antrag auf Zahlung der restlichen 4.000,00 EUR beim FamG ein, über den verhandelt wird.
Anzurechnen ist die 1,3-Geschäftsgebühr jetzt zur Hälfte nur aus dem geringeren Wert von 4.000,00 EUR.
I. |
Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000,00 EUR) |
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
592,80 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
612,80 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
116,43 EUR |
Gesamt |
|
729,23 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren (Wert: 4.000,00 EUR) |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
327,60 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,65 aus 4.000,00 EUR |
|
– 163,80 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
302,40 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
486,20 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
92,38 EUR |
Gesamt |
|
578,58 EUR |
Rz. 48
Zu beachten ist, dass außergerichtlich mehrere Angelegenheiten gegeben sein können, wenn der Anwalt sowohl hinsichtlich einer vorläufigen Regelung beauftragt ist als auch hinsichtlich einer endgültigen Regelung.
Rz. 49
Kommt es nach der außergerichtlichen Vertretung zu einem gerichtlichen Verfahren, so ist die Geschäftsgebühr der vorläufigen Regelung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV hälftig auf die Verfahrensgebühr eines einstweiligen Anordnungsverfahrens und die Geschäftsgebühr für die endgültige Regelung hälftig auf die Verfahrensgebühr eines Hauptsacheverfahrens anzurechnen.
Rz. 50
Überblick Anrechnung bei Haupt- und Eilsache
Beispiel 44: Vorläufige und endgültige Regelung, Unterhalt mit nachfolgender einstweiliger Anordnung und Hauptsacheverfahren