Norbert Schneider, Lotte Thiel
I. Überblick
Rz. 14
Die Gebühren für die außergerichtliche Vertretungstätigkeit des Rechtsanwalts finden sich in Teil 2 Abschnitt 3 VV, den Nrn. 2300 ff. VV. Für sämtliche in einer Angelegenheit anfallenden außergerichtlichen Tätigkeiten erhält der Anwalt eine Geschäftsgebühr als Betriebsgebühr (Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV).
Rz. 15
Neben der Geschäftsgebühr kann keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV anfallen. Auch wenn Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV dazu verleitet, eine außergerichtliche Besprechung zur Vermeidung eines möglichen gerichtlichen Verfahrens zum Anlass für eine Terminsgebühr zu nehmen, ist dies nicht möglich, weil die Gebühren nach Teil 3 VV einen gerichtlichen Verfahrensauftrag voraussetzen. Liegt aber ein gerichtlicher Verfahrensauftrag vor, so ist Teil 2 VV gar nicht mehr anwendbar, so dass die Kombination Geschäftsgebühr und Terminsgebühr unmöglich ist. Dies hat der Gesetzgeber in seiner Begründung zum 2. KostRMoG nochmals ausdrücklich klargestellt und damit der insoweit verfehlten Rspr. der BGH in Familiensachen eine Absage erteilt.
Zitat
"Die Grenzziehung zwischen der Anwendung des Teils 2 VV für außergerichtliche Tätigkeiten und des Teils 3 VV für das gerichtliche Verfahren führt in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten. So ist die Entscheidung des BGH vom 1. Juli 2010 (AGS 2010, 483) bereits in der Anmerkung zu dieser Entscheidung (AGS 2010, 485) kritisiert worden. Mit dem nunmehr vorgeschlagenen neuen Absatz 1 Satz 1 der Vorbemerkung 3 soll für den Übergang von der vorgerichtlichen zur gerichtlichen Tätigkeit klargestellt werden, dass die Anwendung des Teils 3 VV einen unbedingten Auftrag für ein gerichtliches Verfahren voraussetzt. Es bestehen keine Bedenken, wenn dies dazu führt, dass der bereits mit unbedingtem Klageauftrag versehene Verfahrensbevollmächtigte des Klägers für eine Besprechung mit dem Beklagten vor Klageeinreichung eine Terminsgebühr erhält, während der Vertreter der Gegenseite mangels eines unbedingten Prozessauftrags seine Gebühren nach Teil 2 abrechnen muss. Die in Teil 2 VV für die Vertretung vorgesehene Gebührenspanne in Nummer 2300 VV ermöglicht die gleichen Gebühren wie die Regelungen in Teil 3, setzt allerdings eine entsprechend umfangreiche und schwierige Tätigkeit voraus. Der Regelungsgehalt des geltenden Absatzes 1 ist in dem vorgeschlagenen Satz 2 enthalten."
Rz. 16
Hinzukommen kann eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.
Rz. 17
Des Weiteren ist auch eine Aussöhnungsgebühr (Nr. 1001 VV) möglich.
II. Geschäftsgebühr
1. Überblick
Rz. 18
Für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und der Teilnahme an Besprechungen sowie für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags (Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV) erhält der Anwalt eine Geschäftsgebühr.
Rz. 19
Vorgesehen ist ein Satzrahmen von 0,5 auf bis 2,5. Dieser Rahmen ist anhand der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG auszufüllen. Die Mittelgebühr beträgt 1,5.
Beispiel 15: Außergerichtliche Vertretung – Mittelgebühr
Der Anwalt wird außergerichtlich von der Ehefrau beauftragt, die vom Ehemann vereinnahmte Steuerrückerstattung (6.000,00 EUR) anteilig in Höhe von 3.000,00 EUR einzufordern. Die Sache ist durchschnittlich, aber umfangreich.
Da die Sache umfangreich ist, greift die Begrenzung nach Anm. zu Nr. 2300 VV nicht (siehe Rdn 29 ff.). Dem Anwalt steht der volle Gebührenrahmen zur Verfügung. Da die Sache durchschnittlich ist, kann grundsätzlich von der Mittelgebühr ausgegangen werden.
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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301,50 EUR |
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(Wert: 3.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
321,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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61,09 EUR |
Gesamt |
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382,59 EUR |
Rz. 20
Der Mindestsatz beträgt 0,5. Von dem Mindestsatz ist nur in den einfachsten Angelegenheiten auszugehen, insbesondere dann, wenn sich die Sache vorzeitig erledigt, bevor der Anwalt weitere Tätigkeiten ausübt.
Beispiel 16: Außergerichtliche Vertretung – Mindestsatz
Der Anwalt wird von der Ehefrau mit der außergerichtlichen Beitreibung der hälftigen Kosten einer Klassenfahrt des gemeinsamen Kindes in Höhe von 400,00 EUR beauftragt. Die Sache erledigt sich unmittelbar nach Auftragserteilung, ohne dass der Anwalt schon etwas veranlasst hat. Angemessen ist nur der Mindestsatz.
1. |
0,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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22,50 EUR |
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(Wert: 400,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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4,50 EUR |
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Zwischensumme |
27,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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5,13 EUR |
Gesamt |
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32,13 EUR |
Rz. 21
Die Höchstgebühr kommt in Betracht, wenn die Sache besonders schwierig und umfangreich war, insbesondere, wenn Besprechungen geführ...