Rz. 31
Mieter und andere Fremdnutzer sind im Gegensatz zu den Wohnungseigentümern an den WEG-Beschluss nicht gebunden. Ohne Ankündigung müssen sie die Durchführung von Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen, die in ihr Besitzrecht eingreifen (wie es beim Austausch von Fenstern der Fall ist), nur dann dulden, wenn ihnen die Maßnahmen ordnungsgemäß angekündigt wurden. Nach dem alten Recht war es erforderlich, dass die vermietenden Eigentümer den Mietern die Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen gem. den §§ 555a, 555d BGB ankündigten. Die Gemeinschaft konnte das Ankündigungsrecht durch Beschluss "an sich ziehen", musste das aber nicht. Im Zuge der WEG-Reform 2020 wurde ein eigenständiger Duldungsanspruch der Gemeinschaft eingeführt wie folgt:
Rz. 32
Rz. 33
Durch die Neuregelung hat sich gegenüber dem früheren Rechtszustand allerdings nicht viel geändert. Dabei ist allerdings ist zu konstatieren, dass schon bislang zahlreiche Detailfragen ungeklärt waren, woran sich auch nichts geändert hat. Gem. § 15 WEG kann und muss nun also die Gemeinschaft bauliche Maßnahmen entsprechend den mietrechtlichen Bestimmungen ankündigen; geschieht dies, müssen die Nutzer die Maßnahmen dulden. Die Duldungspflicht hat allerdings nicht zur Folge, dass die Fremdnutzer (Mieter) zu aktiven Maßnahmen verpflichtet wären (Gegenstände vom Balkon zu entfernen oder diesen freizuräumen). Ferner stellt die Ankündigung der Gemeinschaft nur im Verhältnis zu dieser sicher, dass die "Fremdnutzer" die ankündigten Maßnahmen dulden müssen. Im Prinzip bleiben die mietrechtlichen Vorschriften über die Ankündigung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen unberührt, was bedeutet, dass die Vermieter ihrerseits nochmals eine (weitgehend inhaltsgleiche) Ankündigung machen müssen – oder vielmehr müssten. Die den Vermieter treffende Ankündigungspflicht wird Theorie bleiben, denn soweit es um die Durchführung der Maßnahmen geht, ist nicht ersichtlich, welche (nachteiligen) Folgen das Unterlassen einer erneuten Ankündigung durch die Vermieter für diese haben könnte. Für eine Modernisierungsmieterhöhung (dazu nachfolgend) bedarf es jedenfalls nicht zwingend einer Modernisierungsankündigung gem. § 555c BGB; das Fehlen einer Modernisierungsankündigung hat gem. § 559b Abs. 2 BGB lediglich zur Folge, dass die Mieterhöhung 6 Monate später (als es mit Modernisierungsankündigung der Fall wäre) in Kraft tritt.
Rz. 34
Eine gewisse "Unlogik" der Rechtslage besteht darin, dass der Duldungsanspruch gem. § 15 WEG nicht zur Folge hat, dass der Mieter (Fremdnutzer) keine Besitzschutzansprüche mehr geltend machen könnte. Ein Mieter kann sich trotzdem jedem Störer gegenüber – also auch gegenüber der Gemeinschaft – auf den Besitzschutz gem. § 862 BGB berufen und Unterlassung verlangen. Der "petitorische" Einwand der Duldungspflicht kann den possessorischen Anspruch gem. § 862 BGB nicht zu Fall bringen, wie sich aus § 863 BGB ergibt. Wenn die Gemeinschaft im Voraus sicher gehen will, dass Mieter ihrer Duldungspflicht nachkommen und nicht womöglich im Wege der einstweiligen Verfügung die Baumaßnahme torpedieren, müsste sie sich von den Mietern entsprechende Erklärungen geben lassen, wobei die Mieter dazu allerdings erst nach Fristsetzung und Mahnung verpflichtet sind, oder sie müsste den Duldungsanspruch titulieren. Die (schwierige) Situation ist aus dem Mietrecht bekannt und stellt sich im Kontext des Wohnungseigentumsrechts leider auch nicht leichter dar.
Rz. 35
Praxistipp:
Die rechtzeitige Ankündigung von Baumaßnahmen, die – wie im Beispiel – in das Besitzrecht der Mieter eingreifen, ist ohne weiteres Verwalterpflicht. Die Erwähnung im Beschlussmuster (Nr. 2) hat deshalb eher den Charakter eines "Merkpostens". Hingegen kann davon abgesehen werden, nachfolgende Duldungserklärungen der Mieter einzufordern. Offenbar kam es in der Praxis der Wohnungseigentumsverwaltung bislang nicht dazu, dass Fremdnutzer direkt gegenüber der Gemeinschaft den Versuch unternahmen, Sanierungsmaßnahmen zu verhindern. Zur Zurückhaltung der Mieter wird sicher der Gesichtspunkt beitragen, dass ihnen eine (erhebliche) Schadensersatzpflicht droht, wenn sie unter Berufung auf den Besitzschutz eine Sanierung per Baustopp einstweilen verhindern konnten, die einstweilige Verfügung aber letztlich keinen Bestand hat.
Rz. 36
Erhaltungsmaßnahmen sind von der Gemeinschaft gem. § 555a BGB "rechtzei...