Rz. 136
Für die Ansprüche auf Rückbau baulicher Maßnahmen gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB), beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Gläubiger Kenntnis von der streitigen Maßnahme erlangte bzw. infolge grob-fahrlässiger Unkenntnis nicht erlangte (§ 199 BGB). Es verhält sich somit anders als beim (faktisch unverjährbaren → § 3 Rdn 82) Anspruch auf Unterlassung störender Handlungen. Kenntnis muss allein von den Tatsachen (bauliche Veränderung) bestehen; ob oder ab wann dem Gläubiger auch die rechtlichen Schlussfolgerungen (Rückbauanspruch) bekannt sind, ist unerheblich. Die Gemeinschaft muss sich die (Un-)Kenntnis des Verwalters zurechnen lassen (→ § 10 Rdn 15). Sollte die Maßnahme Gegenstand eines (später gerichtlich aufgehobenen) Genehmigungsbeschlusses gewesen sein, ist dieser Zeitraum in die Verjährungszeit nicht einzurechnen. Die Verwirkung, an deren Vorliegen strenge Voraussetzungen zu stellen sind (→ auch § 3 Rdn 83), kann vor Ablauf dieser kurzen Verjährungsfrist praktisch nicht eintreten. Die Verjährung wirft einige Rechtsprobleme auf, die das nachfolgende Beispiel erläutert.
Rz. 137
Beispiel
Der Rechtsvorgänger des Miteigentümers A errichtete im Jahr 1994 auf der ihm zur Sondernutzung zugewiesenen Terrasse vor seiner Wohnung eigenmächtig einen Wintergarten. A ist seit 2002 Eigentümer. Im Jahr 2022 erhebt die Gemeinschaft Klage gegen A.
Variante 1: Die Gemeinschaft verklagt A auf Rückbau des Wintergartens.
Variante 2: A hatte den heruntergekommenen Wintergarten 2019 abgerissen und neu wieder aufgebaut. Die Gemeinschaft verklagt A auf Rückbau.
Variante 3: Die Gemeinschaft beschließt den Rückbau auf Gemeinschaftskosten und verklagt A auf Feststellung, dass er zur Duldung des Rückbaus verpflichtet ist.
A hält sich nicht für verpflichtet und wendet Verjährung ein. Zu Recht?
Rz. 138
Variante 1: Hier stellt sich zunächst die Frage, ob A, der lediglich ein Zustandsstörer ist, überhaupt zur Beseitigung der von seinem Rechtsvorgänger stammenden Baulichkeiten verpflichtet sein kann; das kann allenfalls ausnahmsweise einmal der Fall sein (→ § 4 Rdn 132). Bejaht man tatbestandlich einen aus § 1004 BGB folgenden Beseitigungsanspruch gegen A, unterliegt dieser nach h.M. trotz § 902 Abs. 1 BGB der Verjährung. Die Verjährungsfrist begann am 31.12.2002 und endete am 31.12.2005, sodass ein eventueller Beseitigungsanspruch gegen A jedenfalls verjährt ist. Rechtmäßig wird die bauliche Maßnahme dadurch nicht.
Rz. 139
Variante 2: Der Beseitigungsanspruch besteht und ist nicht verjährt. Jede Veränderung (z.B. Ersetzung im Zuge einer Instandsetzung) oder Erweiterung einer baulichen Veränderung stellt ihrerseits eine bauliche Veränderung dar mit der Folge, dass der Beseitigungsanspruch neu entsteht. Für Schwarzbauten gibt es keinen Bestandsschutz.
Rz. 140
Variante 3: Der vom Rechtsvorgänger des A geschaffene Zustand bleibt ungeachtet einer etwaigen Verjährung des Beseitigungsanspruches rechtswidrig. Die Miteigentümer können beschließen, dass ein solcher WEG-rechtlicher Schwarzbau auf Gemeinschaftskosten beseitigt wird; das muss A dulden (→ § 4 Rdn 129). Dem Beschluss bzw. dem Selbstbeseitigungsrecht kann insbesondere nicht entgegengehalten werden, dass der Beseitigungsanspruch verjährt ist. Die Begründungen sind im Detail unterschiedlich, gehen letztlich aber meistens darauf zurück, dass gem. § 902 Abs. 1 BGB "Ansprüche aus dem Eigentum" nicht der Verjährung unterliegen. Dazu kommt der Gesichtspunkt, dass die Beseitigung einer Störung des Gemeinschaftseigentums in vielen Fällen die Herausgabe der überbauten (Gemeinschafts-)Fläche umfasst; der Anspruch auf Herausgabe von Gemeinschaftseigentums gem. § 985 BGB unterliegt aber keiner Verjährung. Ebensowenig ist Verwirkung anzunehmen. Der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung verjährt nicht und kann deshalb auch nicht verwirkt werden.
Rz. 141
Ein zum Rückbau Verpflichteter beruft sich häufig auf den Einwand der Unverhältnismäßigkeit, wenn der Rückbau für ihn mit hohen Kosten verbunden ist. Dieser Einwand wird aber jedenfalls dann nicht anerkannt, wenn der Verpflichtete die bauliche Maßnahme durchgeführt hat, ohne sich zuvor um die erforderliche Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer (bzw. nach neuem Recht um den erforderlichen Gestattungsbeschluss) zu kümmern. Dann hat er im Bewusstsein des damit verbundenen Risikos gehandelt, was im Lichte der Wertung des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB zur Folge hat, dass das Rückbauverlangen nicht wegen Unverhältnismäßigkeit missbräuchlich ist.
Rz. 142
Eine Baumaßnahme wird nicht dadurch rechtmäßig, dass auch andere Miteigentümer unzulässige bauliche Veränderungen durchführten, denn insoweit gibt es keine "Gleichheit im Unrecht". Der BGH bejaht aber einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Beschlussfassung (auch → § 3 Rdn 84). Wenn es also mehrere vergleichbare unzulässige Baumaßnahmen gibt, ist auf die Beseitigung abzielender Beschluss nur rechtmäßig, wenn z...