Rz. 18
Eine Betreuung kann trotz einer Vorsorgevollmacht dann erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen. Das kann insbesondere bei der Befürchtung der Fall sein, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den bestimmten Bevollmächtigten eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. So kann der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheinen. Ein Betreuer ist stets zu bestellen, wenn der Bevollmächtigte die Vollmacht für eigene Zwecke missbraucht.
Rz. 19
Einige Beispiele für die Ungeeignetheit: Der Bevollmächtigte hatte in einem Fall des BGH eine Demenzerkrankung der betroffenen Person genutzt, sich das Grundstück bzw. den Nießbrauch rechtswidrig anzueignen. In einem anderen vom BGH entschiedenen Fall konnte der Verbleib von zumindest 15.000 EUR nicht aufgeklärt werden, zumal der Bevollmächtigte Anfragen des Gerichts nicht beantwortet hatte. Eine Betreuung kann lt. BayObLG erforderlich werden, wenn konkrete Verdachtsmomente wegen Vollmachtsmissbrauch gegen den Bevollmächtigten vorliegen: Solche Momente können im vermögensrechtlichen Bereich, etwa durch Auflösung von Konten, und im Bereich der Personensorge gesehen werden, dort das abrupte Herausreißen des Betroffenen aus seiner gewohnten Umgebung. In dem dortigen Fall hatte der Bevollmächtigte etwa 180.000 EUR aus dem Vermögen der betroffenen Person auf das eigene Konto übertragen, ohne dass dieser hierfür eine Schenkung oder eine andere vertragliche Grundlage vorweisen bzw. die Übertragung anderweitig plausibel rechtfertigen konnte. Bei solchen schwerwiegenden Verstößen gegen die Pflicht zur Wahrung der Interessen des Betroffenen genügen schon konkrete Verdachtsmomente, um eine Betreuerbestellung zu rechtfertigen. Es müsse nicht abgewartet werden, bis tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Aber: Hat der Bevollmächtigte im Rahmen der ihm eingeräumten Befugnis Schenkungen gemacht, folgt daraus nicht stets seine Unredlichkeit.
Rz. 20
Sind mehrere Bevollmächtigte nur zur gemeinschaftlichen Vertretung befugt, kann dennoch eine Betreuung erforderlich werden, wenn diese nicht zu einer gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind. Hierzu bedarf es einer Zusammenarbeit und Abstimmung der Bevollmächtigten und auch einem Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit. Wenn allerdings die Ursache des objektiven Fehlverhaltens eines Bevollmächtigten das Verschulden eines von dem Bevollmächtigten beauftragten Rechtsanwaltes ist, kann daraus nicht die Ungeeignetheit eines Bevollmächtigten angenommen werden.
Rz. 21
Stets hat das Betreuungsgericht aber mildere Mittel im Vergleich zur Vollbetreuung zu prüfen. In Betracht kommt schließlich die Einrichtung einer Kontrollbetreuung nach § 1815 Abs. 3 BGB (§ 1896 Abs. 3 BGB a.F.) (siehe § 5 Rdn 5 ff.). Jedoch ist bei erheblichen Zweifeln an der Redlichkeit des Bevollmächtigten und an der Abwendbarkeit der Vermögensgefährdung durch einen Kontrollbetreuer dem BGH zufolge eine "Vollbetreuung" einzurichten.