1. Allgemeines
Rz. 179
Der Anwalt wird bei Annahme eines Mandates klären, ob der Mandant über eine Rechtsschutzversicherung verfügt und, im positiven Falle, ob für das konkrete Mandat Kostendeckung erreicht werden kann. Um beantworten zu können, in welchem Umfang Leistungen des Anwalts durch eine Rechtsschutzversicherung abgedeckt sind, wird der Anwalt die konkret vom Rechtsschutzversicherer verwendeten Rechtsschutzbedingungen (ARB) beim Mandanten oder beim Versicherer einfordern müssen.
Letztes, vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft herausgegebenes Bedingungswerk, sind die ARB 2021. Der Wettbewerb unter den einzelnen Versicherern führte jedoch dazu, dass von diesen Bedingungen mehr und mehr abgewichen wird. Generell kann festgestellt werden, dass im Rahmen erbrechtlicher Mandate zumeist nur Beratungsrechtsschutz besteht.
2. Versicherbare Leistung
Rz. 180
Es sind nur die in Ziffer 2 ARB 2021 genannten Rechtsgebiete und die dort aufgezählten Versicherungsleistungen versicherbar. Nach Ziffer 2.2.11 ARB 2021 besteht nach einer entsprechenden Vereinbarung ein sogenannter Beratungsrechtsschutz in Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrechtsangelegenheiten für einen Rat oder eine Auskunft eines in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalts. Gemäß Ziffer 3.1.1 ARB 2021 besteht eine dreimonatige Wartezeit nach Versicherungsbeginn nicht. Wird der Rechtsanwalt darüber hinaus tätig, werden insgesamt keine Kosten erstattet. Ohne gesonderte Vereinbarung über den vorgenannten Beratungsrechtsschutz besteht gemäß Ziffer 3.2.10 ARB 2021 kein Versicherungsschutz.
Rz. 181
Die Leistung der Rechtsschutzversicherung beschränkt sich fast ausschließlich auf den Beratungsbereich. Im Einzelfall ist dies jedoch von dem jeweiligen Versicherer und der abgeschlossenen Versicherung abhängig. Damit kommt es auf die konkreten Versicherungsbedingungen des jeweiligen Versicherers an. Diese Versicherungsbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen und unterliegen als solche der Inhaltskontrolle nach den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB.
Rz. 182
Hat der Anwalt den Mandanten zunächst nur im Rahmen eines Beratungsauftrages beraten und kommt es später zu einer weitergehenden Tätigkeit in derselben Sache, kommt es nach herrschender Meinung zu einem Wegfall des gesamten Beratungsrechtsschutzes. Wird der Anwalt von vornherein mit der Rechtsvertretung beauftragt, muss er dem Wunsch des Mandanten widerstehen, dennoch den Beratungsrechtsschutz geltend zu machen. Allerdings kann der Anwalt oder der Mandant selbst versuchen, eine Kulanzleistung des Rechtsschutzversicherers zu erlangen.
3. Versicherungsfall
Rz. 183
Der Anspruch auf den Versicherungsschutz im Erbrecht entsteht mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Der Versicherungsfall ist definiert als eine den Versicherungsnehmer oder eine bei ihm mitversicherte Person betreffende Änderung der Rechtslage durch ein bestimmtes Ereignis, Ziffer 2.4.1 ARB 2021. Wann eine solche Veränderung der Rechtslage vorliegt, ist in erbrechtlichen Angelegenheiten umstritten.
Rz. 184
Grundsätzlich wird die Rechtslage dann als verändert angesehen, wenn Rechte oder Verbindlichkeiten des Versicherungsnehmers oder der mitversicherten Person in zeitlichem und adäquat kausalen Zusammenhang mit dem Ereignis neu begründet, belastet, übertragen, inhaltlich geändert oder aufgehoben werden. Eine rein prophylaktische Beratung ist nicht vom Rechtsschutz umfasst.
Wenn der Erbfall eingetreten ist, liegt eine Änderung der Rechtslage vor.
Rz. 185
Problematisch ist, inwieweit eine Gesetzesänderung zu einer Veränderung der Rechtslage im Sinne der eingangs genannten Rechtsschutzbedingungen führt. Bonefeld hat hierzu eine differenzierte Betrachtung angestellt und am Beispiel des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes zum 1.4.1998, wonach § 1934a BGB ersatzlos gestrichen wurde, überzeugend ausgeführt.
Rz. 186
Für die Erstellung oder Änderung eines Testaments oder Erbvertrages wird der Versicherungsfall verneint. Gleiches gilt auch dann, wenn der Vorerbe gegenüber dem Nacherben seinen Verpflichtungen, insbesondere seinen Auskunftspflichten, nicht nachkommt.
Ebenfalls wird ein Versicherungsfall verneint, wenn lediglich eine Veränderung der wirtschaftlichen Lage vorliegt und die Rechtsberatung eingeholt wird, weil z.B. ein Abkömmling damit droht, seine Erbansprüche geltend zu machen.
Rz. 187
Erfolgt eine rechtliche Beratung durch den Anwalt im Hinblick auf die Unterzeichnung eines Erb- und Pflichtteilsverzichts, tritt erst nach Abschluss des Verzichtsvertrages eine Veränderung der Rechtslage ein, so dass auch hier ein Versicherungsfall letztlich zu verneinen ist.