Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 136
Mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Die Kosten der Rechtsverteidigung gegen eine grundlose Inanspruchnahme sind daher grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Liegen indes die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vor, §§ 280, 311, 823, 826 BGB, eventuell auch §§ 677 ff. BGB, kommt ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch in Betracht.
Rz. 137
§§ 280, 311 BGB setzen voraus, dass der vermeintliche Anspruch im Rahmen einer (vor-) vertraglichen Beziehung der Parteien geltend gemacht wurde. Im Rahmen eines (angebahnten) Schuldverhältnisses sind die Parteien verpflichtet, die Rechtsgüter der anderen Seite nicht zu schädigen. Daher kann die unberechtigte Geltendmachung einer Forderung einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB bewirken.
Zum Schaden gehören Anwaltsgebühren, welche z.B. durch eine Anfechtungserklärung des Vertragspartners oder das Zurückweisen einer unberechtigten Kündigung verursacht werden. Auch die Abwehr eines (im Rahmen eines Schuldverhältnisses) unberechtigterweise erhobenen Anspruchs kann einen solchen Schaden auslösen. Aus der Rechtsprechung:
Zitat
"Die außergerichtliche Geltendmachung unberechtigter Forderungen in einem bestehenden Schuldverhältnis ist pflichtwidrig. Dies stellt eine Verletzung der den Parteien obliegenden Rücksichtnahmepflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB dar. Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB sind zeitlich nicht auf das Bestehen des Schuldverhältnisses beschränkt."
Rz. 138
Bei einem Wettbewerbsverstoß mittels einer unlauteren geschäftlichen Handlung sind die Anwaltsgebühren für eine – berechtigte – Abmahnung des Gegners nach § 13 Abs. 3 UWG von diesem zu erstatten. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört nicht zu den originären Aufgaben eines Unternehmers, für die er eine eigene Organisation vorhalten muss. Nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683, 670 BGB, können die Gebühren für ein Abschlussschreiben (nach Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Aufforderung an den Antragsgegner, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen) verlangt werden. Die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten ist zu beachten, § 11 UWG. Nach §§ 1004, 683 BGB kann Erstattung für Anwaltskosten wegen der vorprozessualen Abmahnung der Verwendung unzulässiger AGB-Bestimmungen verlangt werden.
Rz. 139
Rechtsanwaltsgebühren, welche infolge der Abwehr einer unberechtigten Forderung entstanden sind, können auch nach §§ 823 Abs. 2, 826 BGB ersatzfähig sein. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn der Mandant in einem früheren Rechtsstreit aufgrund eines Prozessbetruges oder einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Gegners (sonstiger wissentlich falscher Vortrag) unterlegen ist.