§ 4 Die außerprozessualen Strategien / 7. Prozessfinanzierungen

Rz. 169

Versicherungsgesellschaften bieten teilweise Prozessfinanzierungen an.^[159] Solche Finanzierungen sind zulässig, §§ 4 S. 2, 13b Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 10 Abs. 6 UWG. Geworben wird damit, dass es Rechtsuchenden auf diese Weise ermöglicht wird, ohne ein finanzielles Risiko zu klagen. Als Gegenleistung verlangen die Versicherungen dafür allerdings bei positivem Prozessausgang eine Erfolgsbeteiligung am Ertrag.^[160] Diese liegt meist bei 20 bis 30 %, je nach dem Prozessrisiko, dem zu betreibenden Verfahrensaufwand und der Höhe des Gegenstandswertes. Teilweise wird die Erfolgsbeteiligung auch individuell ausgehandelt.

Rz. 170

Voraussetzung für die Übernahme eines Rechtsstreits durch einen Prozessfinanzierer ist meist, dass ein relativ hoher Streitwert erreicht wird.^[161] Die Versicherungsgesellschaften verlangen teilweise Streitwerte ab mindestens 20.000,00 EUR, teilweise aber auch wesentlich mehr. Bisweilen wird eine Prozesssumme von wenigstens 500.000,00 EUR vorausgesetzt. Es gibt aber auch Prozessfinanzierer, welche keine Mindestsummen verlangen.

Rz. 171

Mittlerweile werden auch "Streuschäden" in gebündelten unechten Sammelklagen finanziert, deren Ansprüche von Legal Tech-Inkassodienstleistern mit RDG-Lizenz eingesammelt werden. Mit dem – im Gesetzgebungsverfahren stark umstrittenen – "Legal Tech-Gesetz"^[162] ist der Anwaltschaft im Inkassobereich nun auch bei einem Erfolgshonorar die Prozessfinanzierung erlaubt, um mit dem Legal Tech-Inkasso mithalten zu können.^[163]

Rz. 172

Zur Übernahme einer Klage durch einen Prozessfinanzierer kommt es aber erst, wenn dieser die Erfolgsaussichten für die angestrebte Klage geprüft hat. Häufig finanziert werden Streitigkeiten aus dem Arzthaftungsrecht, dem Architektenhonorarrecht, dem Insolvenz- und dem Erbrecht sowie dem Maklervertragsrecht. Teilweise schließen die Versicherungsgesellschaften aber auch bestimmte Rechtsgebiete aus, z.B. das Baurecht – dort kann es zu besonders aufwendigen Beweisaufnahmen und teuren Sachverständigengutachten kommen.

Rz. 173

Neben der Prozessfinanzierung gibt es auch die Möglichkeit für Gläubiger, sich Forderungen abkaufen zu lassen.

[159] Eine Übersicht ist zu finden unter: https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/themen/kanzlei-praxis/prozessfinanzierer-tipps-fuer-anwaltspraxis-und-ein-aktueller-marktueberblick.

[160] Nach heute h.M. handelt es sich bei dem abschließenden Vertrag um den Gesellschaftsvertrag einer BGB-Innengesellschaft oder auch um eine Garantie gegen Erfolgsbeteiligung (partiarisches Rechtsverhältnis); Bruck/Möller/Baumann, VVG, 9. Aufl. 2008, § 1 VVG Rn 298; "typischer Vertrag kraft Gewohnheitsrechts", Erman/J. Kindl, 14. Aufl. 2014, Vorbemerkung zu § 311 BGB Rn 11.

[161] Zur Finanzierung von Prozessen von Verbraucherverbänden gem. § 4 Abs. 2 VDuG: Schreier, VersR 2024, 144 ff.; Büscher, WRP 2024, 1 ff.

[162] Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, in Kraft getreten zum 1.10.2021. Die BRAK hatte das Gesetzesvorhaben u.a. deshalb kritisiert, weil damit die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher im Ergebnis teurer und der Zugang zum Recht durch Legal Tech-Inkassodienstleister faktisch auf wirtschaftlich für diese attraktive Fälle beschränkt wird. Fragwürdig ist zudem, dass durch die eingeschränkte Öffnung des Erfolgshonorars die Unabhängigkeit der Anwaltschaft sowie das System der Kostenerstattung und der Prozesskostenhilfe beeinträchtigt wird.

[163] Remmertz, AnwBl 2023, 158.