Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 36
Eine direkte Korrespondenz des Rechtsanwalts mit der Rechtsschutzversicherung ist zu empfehlen. Der Schriftwechsel sollte nach Möglichkeit nicht dem Mandanten überlassen werden. Auf diese Weise kann der Rechtsanwalt prüfen und aktenkundig machen, ob und in welchem Umfang sein Gebührenanspruch durch eine Versicherungszusage gedeckt ist. Stellt sich heraus, dass eine Rechtsschutzversicherung nicht einstandspflichtig ist, kann der Rechtsanwalt dann rechtzeitig gegenüber dem Mandanten, ggf. über eine Vorschussrechnung nach § 9 RVG, abrechnen und auf diese Weise verhindern, später seiner Gebührenforderung hinterherzulaufen.
Rz. 37
Das Tätigwerden gegenüber dem Rechtsschutzversicherer zur Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag ist vom eigentlichen Mandatsverhältnis zu trennen. Es beinhaltet eigene Haftungsrisiken. Bei einer objektiven Aussichtslosigkeit der vom Mandanten gewünschten Rechtsverfolgung darf der Rechtsanwalt beispielsweise auch keine Kostendeckung beim Rechtsschutzversicherer nachsuchen und dadurch Gebühren auslösen. Ein dem zuwider handelnder Rechtsanwalt kann sich vielmehr der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten gegenüber schadensersatzpflichtig machen, sodass er eventuell zur Erstattung der gezahlten Kosten eines Prozesses verpflichtet ist.
I. Deckungsschutzanfrage als eigene Angelegenheit
Rz. 38
In vielen Anwaltskanzleien gehört das Einholen einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung zum kostenlosen Service.
Rz. 39
Gebührenrechtlich kann das Einholen einer Deckungsschutzanfrage allerdings eine eigene Angelegenheit darstellen. Die Deckungsanfrage ist nach h.M. vergütungspflichtig, wenn diese eine gesonderte Angelegenheit darstellt, weil weder die Parteien noch der Gegenstand des Mandats zur Rechtsschutzabwicklung mit dem Mandat, für das eine Aussage der Rechtsschutzversicherung erwünscht wird, identisch sind.
Rz. 40
Der Rechtsanwalt ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ohne entsprechende Nachfrage seines Mandanten, darüber zu belehren, dass für das Einholen der Deckungsschutzanfrage eine Geschäftsgebühr ausgelöst wird. Der Mandant muss bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts regelmäßig damit rechnen, dass er die gesetzliche anwaltliche Vergütung zu zahlen hat. Es gibt keinen dahingehenden allgemeinen Vertrauenstatbestand für einen Mandanten, dass ihn aufgrund des Abschlusses eines Rechtsschutzversicherungsvertrags niemals Kosten treffen können. Auf eine Unentgeltlichkeit kann er erst vertrauen, wenn die Rechtsschutzversicherung ihre Deckung bestätigt hat.
Rz. 41
Erschöpft sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts allerdings in der Anforderung der Deckungszusage unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift, ist das Vorliegen einer eigenen Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG zu verneinen. Der Rechtsanwalt muss in einer derartigen Konstellation seinen Mandanten vorab darauf hinweisen, dass hierfür gesonderte Gebühren entstehen werden, anderenfalls kann er vom ihm wegen der Einholung einer Deckungszusage keine Gebühren verlangen.
II. Gebührenerstattung für Deckungsschutzanfrage durch den Gegner
Rz. 42
Grundsätzlich sind die Anwaltsgebühren für das Einholen einer Deckungszusage kein adäquat kausal verursachter Schaden. Dieses Kostenrisiko gehört vielmehr zum allgemeinen Prozessrisiko, welches der Geschädigte nicht auf seinen Gegner abwälzen kann. Ausnahmsweise, nach den Umständen des Einzelfalls, z.B. bei geschäftlich besonders unerfahrenen Personen, bei Krankheit oder Abwesenheit eines Rechtsuchenden, oder wenn die erste Anmeldung des Schadens nicht zu einer unverzüglichen Regulierung führt, kann der Geschädigte zur Herstellung der Waffengleichheit einen Rechtsanwalt beauftragen und damit erstattungsfähige Gebühren auslösen.