a) Sinn der Regelung
Rz. 107
Die ursprünglich in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG als Tatbestand einer Kostenverteilung auf alle Wohnungseigentümer vorgesehene Anpassung an den Zustand vergleichbarer Anlagen ist vom Rechtsausschuss ersatzlos gestrichen worden. Stattdessen stellt § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG nunmehr auf eine doppelt qualifizierte Mehrheit ab. Wurde die bauliche Veränderung mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile beschlossen, fallen ihre Kosten grundsätzlich allen Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zur Last. Der Gesetzgeber setzt dabei darauf, dass eine bauliche Veränderung, die mit der doppelt qualifizierten Mehrheit beschlossen wird, typischerweise sinnvoll ist. Allerdings ist auch bei Erreichen dieser Mehrheit § 21 Abs. 1 WEG vorrangig. Für eine auf Verlangen gestattete oder beschlossene bauliche Veränderung bleibt also der sie beanspruchende Wohnungseigentümer kostenpflichtig, selbst wenn der Beschluss auf sein Verlangen mit großer Mehrheit gefasst wird.
b) Mehrheitserfordernisse
Rz. 108
Die qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen bemisst sich mangels Verweises auf § 25 Abs. 2 WEG nach der in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Stimmkraft, also nur dann nach Köpfen, wenn dies dort bestimmt oder keine von § 25 Abs. 2 WEG abweichende Regelung getroffen wurde. Maßgeblich ist ferner nur die Mehrheit der abgegebenen, nicht aller Stimmen, so dass Enthaltungen oder nicht abstimmende Miteigentümer unberücksichtigt bleiben.
c) Risiken
Rz. 109
Die Kostenverteilungsregelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG birgt erhebliche Risiken, da sie vom Erreichen der doppelt qualifizierten Mehrheit abhängt, was üblicherweise nicht sicher prognostizierbar ist. Selbst bei einem knappen Verfehlen dieser Mehrheiten droht also eine Kostenverteilung nach § 21 Abs. 3 WEG nur auf die dem Beschluss zustimmenden Wohnungseigentümer. Die Gesetzesmaterialien schlagen daher zu Recht vor, "den Beschluss über die bauliche Veränderung unter die Bedingung einer entsprechenden Kostentragung zu stellen." Dann wird die bauliche Veränderung nur beschlossen, wenn auch mit der doppelt qualifizierten Mehrheit die Kostenbeteiligung aller Wohnungseigentümer feststeht.
Rz. 110
Praxistipp
Diese Gestaltung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG wirft zudem völlig neue verfahrensrechtliche Probleme auf, wenn sich der Versammlungsleiter bei den Mehrheitsverhältnissen täuscht. Denn der Beschluss über die bauliche Veränderung kann mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden und ist wirksam, auch wenn der Versammlungsleiter zu Unrecht das Zustandekommen der doppelt qualifizierten Mehrheit verneint. Mithin kann eine diesbezüglich falsche Beschlussverkündung weder mit der Anfechtungsklage noch mit der Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 WEG angegriffen werden, wenn das Zustandekommen des Beschlusses als solches korrekt verkündet wurde. Zur Korrektur bleibt wohl nur eine Klage auf Feststellung der richtigen Mehrheitsverhältnisse gegen die widerstrebenden Miteigentümer bzw. den Verwalter, für die die neuen Erleichterungen der Beschlussklage mit dem Verband als einzigem Passivlegitimierten ärgerlicherweise nicht gelten.
d) Ausnahme bei unverhältnismäßigen Kosten
Rz. 111
Da das Vertrauen des Gesetzgebers in die Vernunft der doppelt qualifizierten Mehrheit doch nicht unbegrenzt war, sah er in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 letzter Hs. WEG eine Ausnahme von der Kostentragungspflicht aller Wohnungseigentümer vor, wenn die bauliche Veränderung "mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden" ist. Da anstelle der Kostentragung nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG diejenige nach § 21 Abs. 3 WEG tritt, kann sie naturgemäß nur denjenigen zugute kommen, die der baulichen Veränderung nicht zustimmen. Es ist absehbar, dass diese Ausnahme zum häufigen Streitgegenstand werden dürfte, zumal ihre Definition in den Gesetzesmaterialien nicht wesentlich über den unbestimmten Gesetzeswortlaut hinausgeht. Die Gesetzesmaterialien stellen nur die Beweislast desjenigen, der sich auf die Ausnahme beruft, und den Bezugspunkt der Unverhältnismäßigkeit klar. Demnach kommt es nicht auf die finanziellen Mittel der überstimmten Wohnungseigentümer, sondern auf den Charakter der Anlage und die Alters- und Sozialstruktur der Gesamtheit der Eigentümer an. Sehr aussagekräftig ist dies nicht, zumal die Gesetzesmaterialien noch hinzufügen, dass bei besonders hohen Kosten eine Unverhältnismäßigkeit selbst dann nicht ausgeschlossen ist, wenn alle Wohnungseigentümer in der Lage sind, ihre Kosten zu tragen. Damit ist immerhin klargestellt, dass anders als bei der Modernisierung nach altem Recht eine Unverhältnismäßigkeit nicht erst bei einer wirtschaftlichen Überforderung eines Wohnungseigentümers vorliegt und er wegen der Kosten zum Verkauf seines Wohnungseigentums gezwungen wäre. Gefordert wird eine wertende Betrachtung, wonach Kosten und Folgekosten nicht außer Verhältnis zu ...